Laut Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU soll noch in dieser Legislaturperiode ein sogenanntes Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht werden. Ziel ist es, Unternehmen damit für den Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten in Haftung zu nehmen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) rechnet nach eigenen Worten damit, dass das geplante Lieferkettengesetz noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet wird. „Es haben sich alle Parteien mit Ausnahme der AfD klar dazu bekannt, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel“, sagte Müller der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag). Er zeigte sich optimistisch, dass die bislang umstrittene Frage nach der Haftung von Unternehmen sich so regeln lassen werde, „dass den Mittelständlern die Angst genommen wird“.
Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuletzt erklärt, Ziel sei, dass das Kabinett noch in diesem Jahr ein Lieferkettengesetz auf den Weg bringe. Man sei aber noch nicht durch, da innerhalb der Bundesregierung vor allem die Frage möglicher zivilrechtlicher Folgen der Verletzung von Sorgfaltspflichten durch Unternehmen weiter zu klären sei.
Ganz so problemlos, wie von Müller und Heil suggeriert, scheint der Weg zum Lieferkettengesetz nicht zu sein. Wirtschaftsverbände und einige CDU-Wirtschaftspolitiker positionieren sich klar gegen die derzeitigen Pläne. „Wenn ein deutsches Unternehmen aus dem Mittelstand rechtlich verbindlich in Verantwortung dafür genommen wird, dass es noch zig Sublieferanten von Lieferanten kontrollieren soll, dann wird es das nicht leisten können", so Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Das sei eine Überforderung, die dazu führen könne, dass Unternehmen in gewissen Ländern nicht mehr produzierten oder einkauften.
Der entwicklungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Volkmar Klein, plädiert dafür, dass ein Lieferkettengesetz erst ab einer vierstelligen Beschäftigtenzahl greift. „Denkbar wären übrigens auch andere Kriterien wie der Jahresumsatz“, so Klein gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er begründet diese höhere Zahl als die zunächst von den Ministerien für Arbeit und Entwicklung vorgeschlagenen 500 Mitarbeiter damit, dass sich Mittelständler keine großen Abteilungen für Unternehmensverantwortung leisten könnten.
Mit Blick auf die Haftungsfrage warnt Klein davor, das Maß zu verlieren. „Nötig ist mehr, nicht weniger Engagement deutscher Unternehmer in Entwicklungsländern, um dort Wachstum und Jobs zu schaffen.“ Daher sei es gut, dass eine Drohung mit dem Strafrecht vom Tisch sei. Ein Gesetz ganz ohne Haftung wäre zwar ein zahnloser Tiger. „Doch kein Unternehmer - insbesondere kein Mittelständler - möchte in Entwicklungsländern investieren, wenn er stets Angst haben muss, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen.“
Auch der „Wirtschaftsweise“ Lars Feld ließ kein gutes Haar an dem geplanten Lieferkettengesetz. Damit werde die Axt an das bisherige Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft mit stark internationalisierten Wertschöpfungsketten und einer starken Produktion im Ausland gelegt, sagte der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler.