Die Wahlbehörde argumentierte, dass die Stimmen aus den ländlichen Gebieten entscheidend zum neuen Resultat beigetragen hätten. Diese seien später eingetroffen. Tatsächlich kann der indigene Staatschef bis heute mit hohen Zustimmungswerten auf dem Land rechnen, wo Campesinos und Ureinwohner leben. Ihnen hat er in den vergangenen Jahren ein neues Selbstbewusstsein gegeben.
Im Februar 2016 hatten die Bolivianer in einem Referendum eigentlich Nein zu einer Verfassungsänderung gesagt, die eine unbeschränkte Wiederwahl ihres Präsidenten ermöglicht hätte. Morales akzeptierte das Resultat jedoch nicht. Ende 2017 ließ er sich seine erneute Kandidatur durch das Verfassungsgericht genehmigen. Seither sehen viele Bürger die Demokratie mit Füßen getreten, besonders in den Städten Boliviens.
Morales, der sein Land seit fast 14 Jahren regiert, äußerte sich nach der Wahl erstmals am Mittwochmorgen in einer Pressekonferenz. Besorgt und betroffen über die gewalttätigen Ausbrüche im Land verkündete er den Notstand. Der 59-Jährige warnte: „Ein Putsch ist im Gange, von der rechten Opposition.“ Die Regierung werde die Demokratie verteidigen und mit Geduld auf die offiziellen Endergebnisse der Wahlbehörde warten.
Nach einer außerordentlichen Sitzung meldete sich auch die OAS. Sie empfiehlt dem südamerikanischen Land, unabhängig vom Auszählungsergebnis eine zweite Wahlrunde im Dezember abzuhalten.
Nach aktuellen Angaben bei rund 98 Prozent ausgezählter Stimmen hätte Morales im ersten Wahlgang gewonnen. „Er wird den Empfehlungen der OAS niemals nachgehen“, sagt Politikexperte Roger Cortez aus La Paz voraus. „Denn Morales weiß, dass er in einem zweiten Wahlgang verlieren würde.“ Und der Experte ist sich sicher: „Tritt Morales eine vierte Amtszeit an, wird er sie nicht zu Ende bringen können.“
Camilla Landbö (KNA)
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