Machtkampf um die Präsidentschaft – Bolivien drohen neue Unruhen
Ex-Staatschef Evo Morales forciert seine Rückkehr ins Amt

Machtkampf um die Präsidentschaft – Bolivien drohen neue Unruhen

La Paz  ‐ Präsident Luis Arce wollte schon das Handtuch werfen und bleibt nun doch im Rennen. Erzrivale Evo Morales aus dem eigenen Lager strebt ebenfalls eine Kandidatur an, obwohl die Verfassung dies eigentlich verbietet.

Erstellt: 16.05.2025
Aktualisiert: 16.05.2025
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Von Tobias Käufer (KNA)

Wer tritt in Bolivien als Präsidentschaftskandidat an? Die Frage bewegt das südamerikanische Land seit Jahren und hat die Andennation an den Rand einer Staatskrise gebracht. Schlüsselfigur ist dabei einmal mehr Evo Morales, der Bolivien von 2006 bis 2019 regierte und nun erneut nach der Macht greift. Der Haken dabei: Die in der Verfassung verankerte Amtszeitbegrenzung verbietet das.

Innerhalb des sozialistischen Lagers ist der Machtkampf zwischen Amtsinhaber Luis Arce, der unter Morales als Wirtschaftsminister diente, und dem Ex-Präsidenten offen entbrannt. Auf Versammlungen der Partei MAS flogen erst die Schimpfworte, dann die Stühle und die Fäuste. Es ist von Verrat und von politischer Verfolgung die Rede.

Inzwischen ist die Bewegung, die das politische Bolivien lange dominierte, gespalten. Weil sich Morales im MAS mit seiner verfassungswidrigen Forderung nach einer erneuten Kandidatur nicht durchsetzen konnte, gründete er eine eigene Bewegung, die er „Evo Pueblo“ (Volk Evo) nannte. Am Wochenende wollen seine Anhänger zur Wahlbehörde nach La Paz marschieren, um Morales' Einschreibung als Kandidat zu erzwingen. Sollte das nicht geschehen, so drohte das Morales-Lager offen, werde es im August keine Wahlen geben.

In dieser Woche dann eine weitere dramatische Entwicklung: Zermürbt vom Machtkampf und den ständigen Vorwürfen seines ehemaligen „Parteifreundes“ Morales, erklärte Arce, er verzichte auf eine Kandidatur – und rief Morales dazu auf, es ihm gleich zu tun. Der konterte kühl, das habe nur das Volk zu entscheiden. Und das wähnt er auf seiner Seite. Nun will Arce doch wieder als Kandidat antreten.

Hinzu kommt: Es gibt Missbrauchsvorwürfe gegen Morales, dem Beziehungen zu minderjährigen Mädchen nachgesagt werden. Immer wieder gab es den Versuch, Morales dafür juristisch zur Rechenschaft zu ziehen. Bislang konnte der Ex-Präsident aber jeden Versuch einer Verhaftung umgehen.

Das ganze Drama hat eine lange Vorgeschichte, die Bolivien bereits schon einmal ins Chaos stürzte. Ein von Morales angestoßenes Referendum sollte bereits 2016 grünes Licht für eine Verfassungsänderung und damit eine Aufhebung der Amtszeitbegrenzung geben. Doch Morales verlor das Referendum und brach anschließend sein Versprechen, das Ergebnis zu akzeptieren. Mit Hilfe einer ihm nahestehenden lokalen Justiz setzte er die Kandidatur auf juristischem Weg durch.

Es folgten die umstrittenen Wahlen von 2019. Internationale Beobachter sprachen bei der Auszählung von Hinweisen auf möglichen Wahlbetrug. Hunderttausende gingen auf die Straße. Informatiker aus Bolivien bestätigten die Verdachtsmomente. Auf Druck von Gewerkschaften, der Armee und auch aus dem eigenen Lager trat Morales zurück und floh ins Ausland. Danach berief er sich auf eine Untersuchung der Wahldaten aus den USA und sprach von einem Putsch gegen sich. Die Neuwahlen gewannen die Sozialisten klar mit Arce als Spitzenkandidaten. Morales kehrte aus dem Exil zurück und begann nach kurzer Zeit einen Konfrontationskurs gegen seinen ehemaligen Mitstreiter, der bis heute anhält und seitdem immer weiter eskaliert.

Welchen Verlauf das Wochenende nimmt, weiß niemand. Diese Woche hat das Verfassungsgericht noch einmal bestätigt, dass Morales nicht erneut kandidieren darf, weil die Verfassung nur zwei Präsidentschaften erlaubt. Auch internationale Instanzen bestätigten diese Sichtweise. Morales pocht wiederum auf „sein Menschenrecht“, gewählt werden zu dürfen, und verweist auf andere Länder. Unter anderem auf Deutschland, wo Angela Merkel vier Amtszeiten und insgesamt 16 Jahre regieren konnte.

Kabinettschef Eduardo Del Castillo warf Morales vor, er wolle am Regierungssitz in La Paz gezielt Aufruhr und Chaos verbreiten: „Er wird sicherlich versuchen, die bolivianische Polizei in Konflikte zu bringen, er wird nach Toten suchen, mit dem einzigen Ziel, die Wahlen auszusetzen“, sagte Del Castillo. Er kündigte an, Morales „in der Mitte des Marsches“ zu verhaften, sollte er tatsächlich nach La Paz kommen.

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