Die Flagge Boliviens vor einem Berghang
Ein Land auf der Suche nach seiner politischen Identität

Stichwahl in Bolivien – Konservative Kandidaten kämpfen um den Sieg

Mit kurzen Unterbrechungen standen linke Parteien fast 20 Jahre an der Spitze des Andenstaats Bolivien, nun zeichnet sich eine eine politische Neuausrichtung ab. In der Stichwahl am Sonntag kämpfen zwei konservative Kandidaten um den Sieg.

Erstellt: 18.10.2025
Aktualisiert: 17.10.2025
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Von Tobias Käufer (KNA)

Viel ist nicht übrig geblieben von der sozialistischen Regierungspartei MAS, die fast zwei Jahrzehnte lang an der Macht war. Im ersten Durchgang der Präsidentenwahl im August erlebte die Partei ein Desaster und ist praktisch nicht mehr im neuen Parlament vertreten. In der Stichwahl kämpfen am Sonntag nun zwei Kandidaten rechts der Mitte um das Präsidentenamt: Rodrigo Paz und Jorge „Tuto“ Quiroga.

Sie stehen vor einer Neuausrichtung des Landes, sagt Stefan Jost im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er beobachtet die Wahl vor Ort und leitete lange das Bolivien-Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Bolivien muss sich neu aufstellen. Das betrifft die wirtschaftliche Situation, die Situation der Justiz und drittens die außenpolitische Orientierung“, so Jost.

Unmittelbar vor der Wahl wurden noch zwei hoch umstrittene Lithium-Verträge durch die Parlamente gepeitscht, von denen vor allem Russland und China profitieren. Ein neuer Präsident dürfte das Land auch für Investitionen aus dem Westen öffnen. Spekulationen gibt es über die Dollar-Reserven des Landes; es könnten wegen der Devisenknappheit schwere Zeiten auf die Staatskassen zukommen, spekulieren die bolivianischen Medien. Dramatisch ist die Situation auf dem Treibstoffmarkt; zuletzt kam es wegen Dieselknappheit immer wieder zu Streiks und Versorgungsproblemen.

„Im Bereich der Wirtschaftspolitik müssen insbesondere einige Subventionen, beispielsweise von Benzin oder Diesel, zumindest reduziert, wenn nicht sogar ganz abgeschafft werden“, sagt Jost. Der subventionierte und damit billigere Sprit wurde vor allem ins Ausland geschmuggelt und fehlte damit auf dem heimischen Markt. „Auch der Schwarzmarkt für Dollars muss abgeschafft werden“, sagt Jost.

Bischöfe fordern Versöhnungskurs

Die Kirche forderte die möglichen Sieger auf, vor allem einen Versöhnungskurs zu fahren: „Es wird so viel über die aktuellen Kandidaten gesprochen, dabei ist es in Bolivien doch vor allem wichtig, dass wir uns einigen“, sagte Erzbischof Ricardo Centellas aus Sucre vor wenigen Tagen. Über 60 Prozent der Bolivianer hätten für einen Wandel gestimmt, für Sicherheit und Verantwortungsbewusstsein. „Bislang haben wir davon noch nichts gehört. Hoffentlich erkennen die Gewählten, was Bolivien braucht, und können an diesen strukturellen Notwendigkeiten arbeiten“, so Centellas.

An erster Stelle stehe dabei die Regierungsfähigkeit, betonte der Erzbischof. „Wenn wir das nicht tun, werden wir weiterhin Probleme, sozialen Druck, Spannungen innerhalb von Familien, Gruppen und Parteien sehen, was uns überhaupt nicht guttut“, erklärte Centellas.

Außenpolitisch dürfte sich das Land, das sich in den vergangenen Jahren als einer der lautstärksten Unterstützer der Linksdiktaturen Kuba, Venezuela und Nicaragua sowie der Hamas, Russlands und Chinas positionierte, den USA annähern. Im Vorfeld der Wahlen lotete Quiroga bereits in den Vereinigten Staaten aus, ob es Chancen für eine engere wirtschaftliche Kooperation gebe.

Innenpolitisch dürfte Ex-Präsident Evo Morales (2006-2019) versuchen, dem neuen Machthaber die Stirn zu bieten. Er hat durch innerparteiliche Machtkämpfe mit seinem ehemaligen Weggefährten, Parteifreund und noch amtierenden Präsidenten Luis Arce wesentlich zur Implosion der MAS beigetragen. Aus der Opposition heraus dürfte er versuchen, das untereinander verfeindete linke Lager wieder zu vereinen und sich als Oppositionsführer zu etablieren. Schon jetzt verspricht er: „Gemeinsam mit dem Volk werden wir den Kampf auf die Straße tragen.“

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