Verantwortung auf politischer, auf persönlicher und auf kirchlicher Ebene
Was lässt einen Arzt wie Denis Mukwege und seine Mitarbeitenden angesichts all dieses Schreckens durchhalten? „Die Kraft, der Lebensmut der Frauen. Ihre Fähigkeit zur Resilienz. Sie können wieder lachen und tanzen, wenn sie geheilt sind.“ Und weil sie sowohl medizinisch behandelt werden als auch psychisch, seelsorgerlich und juristisch begleitet, finden sie wieder in die Gesellschaft zurück – und: sie wagen es ihre Peiniger anzuzeigen und ihre Leiden zu schildern.
Das ist eine der Forderungen, die Mukwege stellt: Die unbeschreiblichen Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen, die seit einem UN-Bericht aus dem Jahr 2010 ebenso wie ihre Verantwortlichen detailliert bekannt sind, müssen endlich zu Konsequenzen führen, und die Täter müssen der internationalen Gerichtsbarkeit zugeführt und bestraft werden. Es ist für die Frauen unzumutbar, immer noch ihren Peinigern zu begegnen, die in den Generalsrängen umso höher aufsteigen, je brutaler sie gewütet haben. Die deutsche Bundesregierung, deren Einsatz etwa für die UN-Resolution 2467 gegen sexuelle Gewalt in Konflikten (2019) Mukwege ausdrücklich würdigt, habe die Macht, mit diplomatischen Mitteln entsprechenden Druck auf internationaler Ebene auszuüben.
Die zweite Forderung richtet sich an die Verbraucher in Europa. Ihre Marktmacht sei groß, und wenn sie sie entsprechend einsetzten, würden die Unternehmen sich rasch auf Veränderungen und faire Produktions- und Handelsketten besinnen. Der Verzicht auf E-Mobilität oder Handys sei nicht der richtige Weg, aber: „saubere Mobilität und saubere Handys durch saubere Rohstoffe“, d. h. ohne Umweltverwüstungen, ohne Gewalt und ohne Versklavung von Frauen und Kindern. „Und wenn die Produktion von Batterien in Europa für Euch zu teuer ist, dann produziert sie doch bei uns. Es gibt genügt junge Menschen, die das auch können. Und dann denken sie auch nicht mehr an Migration nach Europa.“ Denn auch dies: die Probleme der Migration könnten nicht in Europa gelöst werden, sie müssten an der Wurzel, d. h. in Afrika gelöst werden. Ein Rückzug der europäischen Unternehmen aus den Handelsbeziehungen mit dem Kongo würde nur den Weg für die Chinesen weiter freimachen, für die Umwelt- oder Menschenrechtsauflagen völlig bedeutungslos seien.
Und schließlich: „Die Kirchen müssen ihre prophetische Botschaft wieder entdecken und den Mut haben, die Wahrheit zu befreien, damit sie von allen gehört wird.“
Von Dr. Thomas Broch
Dieser Beitrag erscheint in der Ausgabe 2019 des Magazins „Der geteilte Mantel. Das Magazin zur Weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart“.
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