So sehr die beiden Teile des Landes im Zwist liegen, eint sie doch der Unmut gegenüber der Regierung. „Da gibt es eine Ungeduld und das Gefühl, aus der Zeit gefallen zu sein. Die mehrheitlich jungen Kameruner orientieren sich an Vorbildern in Europa und den USA, etwa an Barack Obama oder auch an anderen afrikanischen Ländern, wo es einen Machtwechsel gegeben hat, wie in Burkina Faso, Mali und Ghana“, so der Misereor-Referent Wiegandt.
Die meisten Kameruner würden Veränderung, Reformen und auch eine Verjüngung der Staatselite wollen. „Das könnte auch jemand aus der Staatspartei sein, der anstelle des Präsidenten kandidiert. Jemand, der für die Jugendlichen akzeptabel ist, der für Öffnung, Demokratisierung und den effektiven Kampf gegen Korruption eintritt. Das wünschen sich frankophone wie anglophone Kameruner.“ Doch ein Wahlsieg Biyas im Herbst gilt fast als sicher. Für seinen Wahlkampf werden die Staatsbeamten und Regierungsmitarbeiter freigestellt, um in ihren Dörfern für den Präsidenten zu werben. „Sie verteilen Geschenke, T-Shirts, laden die Leute zum Bier ein“, erklärt Wiegandt. Zudem fehle eine echte Kontrolle der Wahlen. „Die angeblich unabhängige Wahlkommission in Kamerun wird von Menschen geleitet, die vom Präsidenten abhängig sind und auch von ihm nominiert und bezahlt werden.“
Ehrgeizige Konkurrenten aus den eigenen Reihen konnte Biya bislang erfolgreich aus dem Weg räumen – zur Not mit Diffamierungen und Vorwürfen der Korruption. Die Staatspartei jedenfalls will sich mit dem Wahlsieg Biyas im Herbst weitere sieben Jahre Regierungszeit sichern. Ob der alte Präsident in diesem Zeitraum abtreten muss, entscheiden nicht die Kameruner, sondern die Partei.
Dass ausgerechnet die ehemalige Kolonialmacht Frankreich Paul Biya noch immer unterstützt, hat auch geopolitische Gründe. Frankreich braucht diesen Partner in Kamerun, um Zugang zu Erdöl und anderen Ressourcen sicherstellen zu können. Das Land will auch den Einfluss in der Region wahren im Sinne der Frankophonie. „Biya ist einer der letzten Patrone der Verbindung zwischen Frankreich und Afrika. Früher waren es auch der Präsident von Gabon, Omar Bongo, oder Félix Houphouët-Boigny von der Elfenbeinküste. Der übriggebliebene ‚Dinosaurier‘ aus diesem Zeitalter ist eben Biya“, so Frank Wiegandt.
Aus der europäischen Perspektive dürfte sich diese Unterstützung aber rächen: „Ich würde Biya als ersten Fluchthelfer im Lande bezeichnen“, so Wiegandt. Dass immer mehr Kameruner in ihrer Verzweiflung in die Nachbarländer und nach Europa fliehen, liegt auch daran, dass Biya keine Reformen unternimmt und der Jugend keine Perspektiven bietet. Bleibt nur, von einer Karriere wie der von Frankreichs Nationalspieler Kylian Mbappé zu träumen.
Von Claudia Zeisel
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