Leo XIV. betritt bei seiner ersten Reise brisantes Gelände
Rom ‐ Gut sechs Monate nach seiner Wahl heißt es für Leo XIV.: Koffer packen. Das Programm seiner Jungfernfahrt als Papst hat ihm größtenteils Vorgänger Franziskus hinterlassen. Wie Leo es umsetzt, wird mit Spannung erwartet.
Aktualisiert: 20.11.2025
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6.400 Flugkilometer, 16 Ansprachen und zwei Staatspräsidenten, Blaue Moschee und orthodoxe Kirchen, Konzilsjubiläum und Gedenken an die Hafenexplosion – vor allem aber: Frieden. So etwa lässt sich die erste Auslandsreise von Papst Leo XIV. auf den Punkt bringen, die ihn von 27. November bis 2. Dezember in die Türkei und den Libanon führt. „Der Friede sei mit Euch allen“, waren die ersten öffentlichen Worte des Frischgewählten am 8. Mai. Auf seiner Jungfernfahrt in die beiden muslimisch geprägten Länder kann sich Leo XIV. nun als „Papst des Friedens“ beweisen.
Dabei hatte noch sein Vorgänger Franziskus (2013-2025) die Reiseziele gesetzt: Er wollte zum Anlass 1.700 Jahre Konzil von Nizäa, dem heutigen Iznik, die Türkei besuchen. Bei der Kirchenversammlung im Jahr 325 wurden die Grundlagen des bis heute für fast alle christlichen Konfessionen gültigen Glaubensbekenntnisses formuliert.
Auch ein Besuch im krisengeschüttelten Libanon stand auf Franziskus' Liste, dem einzigen arabischen Land, in dem sich Christen und Muslime die Macht teilen. Als erster Papst besuchte Johannes Paul II. 1997 den Libanon, 2012 war Benedikt XIV. dort. Das Land erlebt spätestens seit 2019 eine wirtschaftliche und politische Krise, die sich durch die Explosion im Hafen von Beirut im August 2020 mit mehr als 200 Toten und 6.500 Verletzten verschärft hat. Immerhin: Seit der Schwächung der Hisbollah-Miliz durch Israels Militär ist das Land vergleichsweis stabil.
Im Januar wurde endlich eine Regierung gebildet, in der wie üblich Christen den Staatspräsidenten und den Armeechef stellen. Franziskus' Absicht, die neue Regierung und das Zusammenleben der Religionen vor Ort zu bestärken, wurde durch seinen Tod im April zunichte gemacht. So wird Leo XIV. als dritter Papst in den Libanon und als fünfter in die Türkei reisen; zwei Länder, zu denen der Vatikan seit 1947 bzw. 1960 diplomatische Beziehungen unterhält.
Wie üblich wird er an seinem Ankunftstag in Ankara von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan empfangen. Doch der Höflichkeitsbesuch schließt diplomatisch gesehen kritische Worte gegenüber dem Gastgeber praktisch aus.
Die Türkei, die Europa und Asien verbindet, sieht sich mehr denn je als Brückenland zwischen Orient und Okzident. Erdogan übernimmt in Kriegen und Konflikten die Rolle des Vermittlers. In Russlands Angriffskrieg erreichte er immerhin das Getreideabkommen zur Nahrungssicherung für die angegriffene Ukraine.
Auch für die EU kommt der Türkei durch den umstrittenen Flüchtlings-Deal Bedeutung zu. Andererseits ist der Umgang von türkischer Justiz und Regierung mit der Opposition zutiefst undemokratisch und steht – zusammen mit Mängeln bei Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten – einem EU-Beitritt entgegen. Auch die Christen geraten gelegentlich zum Spielball.
Kein Besuch in der Hagia Sophia
Bei der ersten Türkei-Visite eines Papstes 1967 war Paul VI. in der berühmten Hagia Sophia, erbaut als byzantinische Kirche, ab 1453 Moschee und seit 1934 Museum. Doch 2020 ließ Erdogan sie zur Moschee umwidmen, was viele als unfreundlichen Akt empfanden. Selbstredend, dass Leo einen Bogen um das Bauwerk macht. Stattdessen besucht er in Istanbul, wohin er bereits am ersten Abend weiterreist, die Sultan-Ahmet-Moschee. In dem wegen seiner Fassade „Blaue Moschee“ genannten Gotteshaus war 2006 bereits Benedikt XVI. Es wird genau beobachtet werden, ob das Oberhaupt der 1,4 Milliarden Katholiken in dem islamischen Gotteshaus eine Gebetsgeste zeigt.
Das lange erwartete Gedenken an 1.700 Jahre Konzil von Nizäa am Freitagnachmittag fällt indes wenig spektakulär aus. Nach einem Helikopterflug von Istanbul aus hält Leo zusammen mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. ein knapp einstündiges ökumenisches Gebet nahe der archäologischen Ausgrabung der antiken Basilika Sankt Neophyt. Im heutigen Iznik befinden sich fast nur Ruinen; Überreste einer lange unter Wasser gelegenen Kirche wurden in den vergangenen Monaten eilig hergerichtet.
Immerhin: Am Samstag folgt nach einer orthodoxen Liturgie in der Patriarchalkirche Sankt Georg in Istanbul die Unterzeichnung einer Gemeinsamen Erklärung mit Bartholomaios. Beobachter erhoffen davon konkrete Schritte Richtung Einheit der Christen.
Diese betont Leo durch Treffen mit Vertretern der verschiedenen Konfessionen in der syrisch-orthodoxen Kirche Mor Ephrem und der armenisch-apostolischen Kathedrale sowie der Teilnahme an mehreren orthodoxen Liturgien. Heute sind maximal 150.000 der rund 85,5 Millionen türkischen Bürger Christen, darunter offiziell bis zu 60.000 Armenier. Für die rund 36.000 Katholiken in der Türkei feiert Leo am Samstagnachmittag eine Messe in der „Volkswagen Arena“.
Am Sonntag (30. November), dem Fest des orthodoxen Patrons Andreas, wird Leo XIV. bei einem Gottesdienst wiederum in der Patriarchalkirche gemeinsam mit Bartholomaios den ökumenischen Segen erteilen. Am frühen Nachmittag fliegt er weiter Richtung Beirut.
Dort folgen auf eine Visite bei Präsident Joseph Aoun, einem maronitischen Christen, Treffen mit Parlamentspräsident Nabih Berri, einem schiitischen Muslim, und Ministerpräsident Nawaf Salamen, der Sunnit ist. Den Montag beginnt Leo XIV. mit einem Gebet am Grab des maronitischen Heiligen Charbel Makluf (1828-1898) in Annaya. Später trifft er den Klerus, Ordensleute und Seelsorger im Wallfahrtsort Harissa.
Programmatisch für die Themen der Reise dürfte ein ökumenisches und interreligiöses Treffen auf dem Märtyrerplatz mit Ansprache des Papstes werden. Am späten Nachmittag kann Leo XIV. sein Geschick im Umgang mit jungen Menschen unter Beweis stellen: bei einer Begegnung auf dem Platz vor dem maronitischen Patriarchat in Bkerke.
Sein letzter Reisetag konfrontiert den Papst mit der dramatischen Explosion von 2020 im Hafen von Beirut. Am Ort des Geschehens hält er ein stilles Gebet; es folgt eine katholische Messe an der Beirut Waterfront. Am Dienstagnachmittag wird Leo XIV. in Rom zurückerwartet.
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