Ein goldfarbener Davidstern, ein Kreuz und ein Halbmond als Anhänger an drei Ketten liegen nebeneinander auf weißem Untergrund
Von Gegnern zu Dialogpartnern

Vor 60 Jahren: Vatikan fasst seine Haltung zu Nichtchristen neu

Rom  ‐ Eigentlich wollten die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils lediglich eine Erklärung zum Judentum erarbeiten. Doch nach Indiskretionen und politischen Turbulenzen kam alles ganz anders.

Erstellt: 27.10.2025
Aktualisiert: 21.10.2025
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Von Georg Pulling und Johannes Schidelko (KNA)

Sie gilt als „Meilenstein“ in den Beziehungen der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen; als „Neuanfang“; „Magna Carta“, „Kopernikanische Wende“. Viele Superlative ranken sich um die Erklärung „Nostra Aetate“, die vor 60 Jahren, am 28. Oktober 1965, vom Zweiten Vatikanischen Konzil mit 96-prozentiger Zustimmung verabschiedet wurde. In dem Dokument unterstrich die Kirche ihre Wertschätzung gegenüber anderen Religionen und eröffnete mit ihnen Dialog und Zusammenarbeit. Schon damals hieß es, man werde das gesamte Konzil nach dieser Erklärung beurteilen.

Die Öffnung zu den anderen Religionen gehört zu den großen Errungenschaften des Konzils (1962-1965). „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist“ – mit diesen Worten beendete „Nostra Aetate“ die lange Ära von Abgrenzung und Feindschaft.

Es ist eine der kürzesten und zugleich umstrittensten Erklärungen des Konzils; um wenige Texte wurde so hart gerungen. Das Papier enthält positive Formulierungen zu Buddhismus und Hinduismus. In erster Linie aber ruft es die Katholiken zu gegenseitigem Verständnis mit den Religionen auf, die ihnen am nächsten stehen, weil sie den alleinigen Gott anerkennen: Islam und vor allem Judentum.

Papst Johannes XXIII. (1958-1963) hatte ursprünglich nur eine Erklärung zum Judentum geplant. Sie war nach Einwänden von arabischer Seite jedoch nicht zustande gekommen, sondern wurde schließlich als ein Unterkapitel in die umfangreichere Endfassung aufgenommen. Was die Beziehungen zu den Juden anbelangt, entwickelte sich „Nostra Aetate“ zu einer „Erfolgsgeschichte“, wie der für die Ökumene zuständige Kurienkardinal Kurt Koch betont.

Schon im September 1960, zwei Jahre vor Beginn des Konzils, beauftragte Johannes XXIII. den deutschen Kurienkardinal Augustin Bea, eine Erklärung über die inneren Beziehungen zwischen der Kirche und dem Volk Israel vorzubereiten. Eine durchaus persönliche Initiative des Papstes; allerdings mehrten sich Anfang der 60er Jahre die Stimmen, die auf eine neue, positive Bewertung des Verhältnisses zwischen Christentum und Judentum drängten.

Durch die Indiskretion einer Journalistin, die ein vertrauliches Gespräch als Interview veröffentlichte, erfuhren die arabischen Staaten von der geplanten Judentumserklärung – und reagierten mit heftigen Interventionen. Man fürchtete, dass dies zu einer internationalen Aufwertung des Staates Israel führen könnte – von dem die Arabische Welt damals noch hoffte, er werde sich nicht halten können.

Heftige Debatten

Auch unter den Konzilsvätern gab es unerwartete Opposition von Bischöfen arabischer Länder. Sie fürchteten, eine den Juden entgegenkommende Konzilserklärung werde den Christen in israelfeindlichen Staaten schaden. Und von Anfang an gab es eine kleine, aber sehr kämpferische Gruppe unter den Konzilsvätern, die theologisch gegen ein erneuertes Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum bzw. allgemein zu den Weltreligionen war.

Verschiedene Vorlagen wurden von 1962 an heftig diskutiert. Den eigentlichen Durchbruch brachte dann die historische Pilgerfahrt von Papst Paul VI. ins Heilige Land im Januar 1964. Jerusalem war damals noch geteilt.

„Nostra Aetate“ betont das Verbindende mit den anderen Religionen, ohne den eigenen Wahrheitsanspruch zu schmälern. Christen, Juden und Muslime werden ermuntert, gegenseitige Missverständnisse im Dialog auszuräumen. Zwei zentrale Anliegen fanden im Schlussdokument nur mehr in abgeschwächter Form Eingang: die Verurteilung von Antisemitismus, verbunden mit einem Schuldeingeständnis der Kirche als Mitverursacherin. Eine weitere Intention: Die Kirche dürfe die Wurzeln ihres Glaubens in Israel nie vergessen. Zum Judentum hätten die Christen eine so enge Beziehung wie zu keiner anderen Religion.

Die Konzilsväter stellten unmissverständlich fest, dass den Juden als Volk keine kollektive Schuld wegen der „Ereignisse des Leidens“ Jesu angelastet werden könne. Aus der Bibel sei auch nicht zu folgern, dass die Juden von Gott „verworfen“ seien. Das Konzil betont mehrfach mit biblischen Verweisen, dass die Juden „weiterhin von Gott geliebt werden“, der sie mit einer „unwiderruflichen Berufung“ erwählt habe. Deutlich wendet sich das Konzil gegen jede Form von Antijudaismus und Antisemitismus.

Zum Islam heißt es wörtlich: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten.“ Christen und Muslime sollten sich „aufrichtig um gegenseitiges Verstehen bemühen und gemeinsam eintreten für Schutz und Förderung von sozialer Gerechtigkeit, sittlichen Gütern sowie (...) Frieden und Freiheit für alle Menschen“.

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