
Bischof Kohlgraf: „Mit Waffen allein kein gerechter Frieden“
Mainz ‐ Bischof Peter Kohlgraf kritisiert die deutsche Wehrdienst-Debatte und US-amerikanische Eigeninteressen. Für den Ukraine-Krieg fordert er echte Verhandlungen statt „Deals“.
Aktualisiert: 12.09.2025
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Donald Trumps bislang erfolglosen Einsatz für einen Frieden in der Ukraine bewertet der Präsident der deutschen katholischen Friedensorganisation Pax Christi skeptisch. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf befürchtet Eigeninteressen der USA und Verhandlungen über die Köpfe der von Russland angegriffenen Ukraine hinweg. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Mainz spricht er über Krieg und Frieden, einen Militärdienst für junge Menschen in Deutschland und die Rolle von Papst Leo XIV.
Frage: Krieg als Dauerschleife – wie kann ein Frieden in der von Russland überfallenen Ukraine gelingen?
Bischof Peter Kohlgraf: Es kann wohl nicht funktionieren, wenn die beiden Weltmächte Russland und USA über die Ukraine hinweg verhandeln. Weder eine Kapitulation noch ein „bester Deal“ dürften das Ergebnis sein; das wäre weder ein Frieden noch Gerechtigkeit. Dafür müsste Russland seine Schuld anerkennen; das sehe ich leider nicht. Doch wir brauchen wirkliche Verhandlungen, um zu einem Ende des Krieges zu kommen. Mit Waffen allein werden wir keinen gerechten Frieden herstellen.
Frage: Auch Finnland hat nach Gebietsabtretungen an Moskau seit Jahrzehnten einen Frieden mit dem Nachbarn im Osten.
Kohlgraf: Das ukrainische Volk ist unter Druck - und kann in dieser Situation nicht über Gebietsabtretungen entscheiden. Russland hat zudem alle völkerrechtlichen Grundlagen obsolet gemacht. Eine Friedensordnung darf aber nicht nur dem eigenen Land dienen. Wir brauchen wieder eine globale Vision von Miteinander statt nationaler Interessen. Denn Krieg schadet allen Seiten, auch dem Angreifer. Ich weiß nicht, ob das russische Volk in einer glücklichen Situation ist. Doch Widerspruch wird es wohl nicht geben; vielleicht ist es Fatalismus.
Frage: Hoffnungen liegen auch auf Papst Leo XIV.
Kohlgraf: Er steht aufseiten des angegriffenen Landes und in Solidarität mit den Opfern. Er verhält sich parteiisch und durchbricht damit die bisherige Logik der vatikanischen Diplomatie. Es ist jedoch wichtig klarzumachen: Wer ist der Aggressor und wer ist der Angegriffene? Das unterstreichen auch bestimmte Äußerungen des US-Präsidenten. Die Rolle des Papstes ist nicht, militärische Lösungen herbeizuführen. Er macht aber weltweit deutlich: Es gibt eine Solidarität mit den Opfern eines Krieges. Das ist ein wichtiges Signal - vielleicht auch für politische Verhandlungen.
Frage: Russlands Krieg soll auch in Deutschland zu einem neuen Wehrdienst führen.
Kohlgraf: Der Wehrdienst ist verfassungskonform. Als Bischof betone ich aber die Gewissensfreiheit. Es muss möglich sein, den Wehrdienst abzulehnen - ohne moralische oder gesellschaftliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Derzeit hat man den Eindruck, dass die jungen Menschen moralisch verpflichtet sind zum Dienst an der Waffe. Denn es geht offenbar darum, die Zahl der Soldaten zu erhöhen. Aber sind diese Menschen nach einem Jahr Grunddienst wirklich Fachkräfte für Verteidigung?
Frage: Finden denn die jungen Menschen genug Gehör?
Kohlgraf: Im Grunde werden diese Entscheidungen über die Köpfe junger Leute hinweg getroffen. Darauf haben auch katholische Jugendverbände hingewiesen. Als Pax-Christi-Präsident hinterfrage ich die Werbung für das Soldat-Sein als etwas vermeintlich Normales. Es geht ja nicht einfach um einen spannenden Beruf, sondern im Ernstfall auch um das Töten und Getötetwerden. Pax Christi hat sich deswegen stets gegen Werbung an Schulen ausgesprochen. Die Menschen müssen unbedrängt eine Gewissensentscheidung treffen können.
Frage: Die Kirche wiederum sucht in den Augen mancher Beobachter zu viel Aufmerksamkeit. So zog Bundestagspräsidentin Julia Klöckner einen Vergleich zu Nichtregierungsorganisationen - kurz NGO.
Kohlgraf: Damit gehe ich entspannt um. Wenn sich die Kirche zu Fragen des Miteinanders im Land äußert, dann ist das ihre Aufgabe. Ich rede sehr intensiv vom Glauben, denn ich bin nicht der Aufsichtsratsvorsitzende einer NGO. Als Bischof Stellung zu nehmen über die sozialen Konsequenzen, ist in der Botschaft Jesu verankert. Und auf der anderen Seite sollte man sich auch nicht über NGO lustig machen. Sie leisten weltweit gute Arbeit und haben unter anderem die Aufgabe, uns die weltweiten Krisenherde in Erinnerung zu rufen.

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