„Hier ist eine Bohne buchstäblich existenziell“
Pasto ‐ Im Süden Kolumbiens hat sich Misereor-Bischof Burger über die Lebensumstände von Kleinbauern informiert. Im Interview erzählt er von seinen Erlebnissen – und davon, was Bauern in den Anden und dem Schwarzwald verbindet.
Aktualisiert: 13.02.2024
Lesedauer:
Im südlichen Hochland Kolumbiens ist eine Delegation des bischöflichen Hilfswerks Misereor unterwegs, um die Gäste seiner diesjährigen Fastenaktion zu besuchen und sich selbst ein Bild von der Lage in der abgelegenen Region zu machen. Im KNA-Interview berichtet der Misereor-Beauftragte und Freiburger Erzbischof Stephan Burger von seinen Erfahrungen vor Ort.
Frage: Herr Erzbischof, Sie sind heute mit einer Kleinbäuerin durch ihr kleines Stück Land im Hochland von Kolumbien gegangen, und die junge Frau hat Ihnen einen Korb mit Obst und Gemüse aus eigenem Anbau gefüllt. Was haben Sie dabei gefühlt?
Burger: Das war wie ein Spaziergang durch ein kleines Stück Paradies, in dem vieles wächst; wo die Natur ihren ganzen Reichtum zeigt. Damit können sich die Menschen eine kleine Existenz aufbauen und sichern. Diese Tatkraft, Freude und Zuversicht zu erleben, war auch ein schönes Erlebnis.
Frage: Ihnen als Schwarzwälder ist die Landwirtschaft nicht fremd, und auch nicht eine durchaus hügelige Landschaft. Wäre die Arbeit hier etwas für Sie?
Burger: Wir haben hier erlebt, wie überaus hart das Leben im Hochland Kolumbiens ist. Und auch aus der eigenen Erfahrung heraus: Wir müssen uns neu bewusst machen, wie arbeitsintensiv und wichtig der Einsatz von Bäuerinnen und Bauern für die Ernährung unserer Bevölkerungen ist. Ohne Lebensmittel kein Leben, so einfach ist das.
Frage: Im armen Süden Kolumbiens treffen viele Problemfelder aufeinander: Armut, fehlende Bildungschancen, Drogenanbau, Gewalt, Migration. Welche Erfahrung beeindruckt Sie am meisten auf Ihrer Reise?
Burger: Dass sich trotz dieser ganzen negativen Einflüsse Menschen – Personen, Familien und Gemeinden - dagegenstemmen und sich ganz bewusst für ein anderes Leben entscheiden. Dass sie sich nicht von kriminellen Systemen abhängig machen, sondern versuchen, ihr Leben in Einklang mit der Natur zu gestalten.
„Ungeheuer emotionale Momente“
Frage: Was tut Misereor vor Ort dafür?
Burger: Misereor unterstützt zum Beispiel die Landpastoral im Bistum Pasto hier im Süden, die eine tolle Arbeit macht; die dafür sorgt, dass Menschen sich durch eigene Arbeit eine Existenz aufbauen und sichern können. Und ich bin sehr froh zu sehen, wie gut hier diese Mittel eingesetzt werden.
Das diesjährige Motto der Misereor-Fastenaktion lautet: „Interessiert mich die Bohne“. Es weist darauf hin, wie buchstäblich existenziell eine Bohne sein kann – hier in Kolumbien natürlich besonders mit Blick auf fairen Kaffeeanbau, aber auch auf andere Hülsenfrüchte, die für die tägliche Ernährung hier ganz wichtig sind; deutlich wichtiger als bei uns zuhause in Deutschland.
Frage: In zwei Landpfarreien haben Sie hier die Abendmesse mitten unter der Woche mitgefeiert – zwei sehr gut besuchte Messen. Beschreiben Sie doch mal, was danach passierte.
Burger: Das waren ungeheuer emotionale Momente. Die Leute kamen regelrecht nach vorn geströmt zu uns Geistlichen. Das passte auch so gut zum Evangelium des Tages, wo die Menschen Jesus ganz nah sein wollten, auf ihn zudrängten, seine Kraft spüren wollten. Das übertragen die Menschen hier auf die Priester und Bischöfe; wollen Anteil haben und in Kontakt sein mit der frohen Botschaft, die da verkündet wird. Das kann man hier ganz unmittelbar erleben.
Frage: Wie würden Sie Ihre Erfahrungen hier für die Kirche in Deutschland übersetzen?
Burger: Das ist wohl nur schwer zu übersetzen, weil hier sehr viele Emotionen mitschwingen. Wir in Deutschland gehen die Dinge in der Regel viel rationaler an. Aber die Aufforderung kann für uns natürlich sein, sich auf die Botschaft Jesu wirklich existenziell einzulassen und aus dieser Botschaft auch zu leben, neu Gemeinschaft zu leben.