Indonesien bereitet sich auf die Megawahl vor
Jakarta ‐ Präsident, National-, Regional- und Kommunalparlamente: 205 Millionen sind am Aschermittwoch im bevölkerungsreichsten islamischen Land der Welt zur Megawahl gerufen. Joko Widodos Nachfolger dürfte im Juni feststehen.
Aktualisiert: 12.02.2024
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Der Wahlkampf in der drittgrößten Demokratie der Welt ist im Großen und Ganzen ohne aggressive islamische Rhetorik gegen religiöse Minderheiten über die Bühne gegangen. Das war bei der Wahl 2019 völlig anders. Präsidentschaftskandidat Prabowo Subianto hatte sich mit den islamistischen Fanatikern wie der transnationalen islamistisch-extremistischen Hizb ut-Tahrir verbündet. In diesem Jahr gibt sich Prabowo in seinem dritten Anlauf auf die Präsidentschaft als lupenreiner Demokrat. In den Umfragen liegt der pensionierte General und amtierende Verteidigungsminister weit vor seinen Mitbewerbern Anies Baswedan und Ganjar Pranowo.
Dem scheidenden Präsidenten Joko Widodo, der laut Verfassungsgericht nicht mehr kandidieren darf, ist es in seinen beiden Amtszeiten mit Unterstützung der Nahdlatul Ulama (NU) als größter, einflussreichster und moderat geltender muslimischen Massenorganisation gelungen, militante Islamisten zurückzudrängen. „Jokowi gilt als NU-Präsident wie Abdurrahman ‚Gus Dur‘ Wahid als erster Präsident nach dem Sturz von Präsident Suharto“, sagte der indonesische Religionsexperte Andreas Harsono der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Das heißt, die NU hatte bisher nur zwei Präsidenten.“ Diktator Mohamed Suharto (1921-2008) herrschte von 1967 bis 1998 in Indonesien.
Gus Dur verkörperte den demokratischen und religiös toleranten Aufbruch Indonesiens nach der Suharto-Diktatur. Nach Gus Dur gewann jedoch ein immer konservativerer bis militanter Islam an Einfluss, der seinen Höhepunkt während der zehnjährigen Präsidentschaft (2004-2014) von Susilo Bambang Yudhoyono erreichte. 2014 kam dann mit Widodo, vormals Bürgermeister von Solo und Möbelfabrikant, erstmals ein Präsident an die Macht, der nicht dem Establishment aus Militär, Wirtschaft und „Politdynastien“ entstammte und als „Barack Obama“ Indonesiens gefeiert wurde.
Entsetzen über Wahlkampf-Einmischung
Diesen Ruf hat der 62-Jährige zum Ende seiner Amtszeit ruiniert. „Der Weiße Ritter ist zu einem einfachen Machtsüchtigen geworden, der eine Dynastie aufbauen will“, sagt der Jesuit Franz Magnis-Suseno aus Jakarta der KNA. Grund für das harsche Urteil: Widodo hat mit Hilfe seines Schwagers Anwar Usman als Vorsitzendem des Verfassungsgerichts seinen Sohn Gibran Rakabuming Raka als Vizepräsidentschaftskandidat von Prabowo durchgesetzt. Die Verfassung schreibt 40 als Mindestalter für die höchsten Regierungsposten vor, während Gibran erst 36 ist. Das Gericht sah indes seine Erfahrung als Nachfolger von Vater Joko im Bürgermeisteramt von Solo als Qualifikation für das zweithöchste Staatsamt an.
Viele Indonesier, darunter die Leitungen der katholischen Universitäten, äußerten sich öffentlich entsetzt über die Einmischung Widodos in den Wahlkampf. Die Reaktion der Macht folgte prompt. Ferdinandus Hindarto, Rektor der Katholischen Universität Soegijapranata, sagte Medien, er sei von der Polizei zum Posten von Videos mit positiven Aussagen über Widodo aufgefordert worden. Der Verband der Absolventen katholischer Hochschulen beließ es nicht nur bei der Kritik der „Wahlmanipulation“ Widodos, sondern rief zur Wahl von Ganjar, dem Kandidaten der säkularen Partei PDI-P, auf.
Der erneut kandidierende Prabowo Subianto hat eine kontroverse Vita. 1998 leitete er als Kommandeur der Sondereinheit Kostrad die letztlich vergebliche gewaltsame Niederschlagung der Proteste gegen Diktator Suharto, der damals sein Schwiegervater war. Prabowos Menschenrechtsverstöße, auch bei der blutigen Niederschlagung der Unabhängigkeitsbewegung in Osttimor, führten zu einem Einreiseverbot in die USA. Als einziger der drei Präsidentschaftsbewerber ließ Prabowo einen Menschenrechts-Fragebogen von Human Rights Watch unbeantwortet.
Aller Voraussicht nach wird die Entscheidung über den neuen Präsidenten erst im Juni bei der Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten vom 14. Februar fallen. Ein Wahlgewinner aber steht schon fest: die NU. „Viele ihrer einflussreichen Politiker und Geistlichen sind sowohl in den Lagern von Prabowo Subianto als auch Anies Baswedan und Ganjar Pranowo zu finden“, sagt Religionsexperte Harsono. „Die Vizepräsidentschaftskandidaten von Baswedan und Pranowo sind gar Mitglieder der NU.“