Ein Containerschiff liegt im Hafen von Hamburg am 3. Juli 2020 und wird gelöscht. Kräne ragen über das Schiff.
Enthaltung angekündigt

Streit über EU-Richtlinie zu Lieferketten dauert an

Berlin  ‐ Es geht vor allem um den Schutz von Menschenrechten. Bald soll in der EU über eine sogenannte Lieferkettenrichtlinie abgestimmt werden. In Deutschland gibt es Diskussionen darüber, die Beteiligten erklären sich.

Erstellt: 09.02.2024
Aktualisiert: 08.02.2024
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Die Bundesministerinnen Annalena Baerbock und Steffi Lemke (beide Grüne) haben die geplante Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung zur EU-Lieferkettenrichtlinie kritisiert. Dass Deutschland sich beim Lieferkettengesetz jetzt auf den letzten Metern enthalten solle, schade der Verlässlichkeit als Partner und dem Gewicht in Europa, erklärte Außenministerin Baerbock am Mittwoch in Berlin. „Ich warne davor, mit solchen Manövern in Brüssel wertvolles Vertrauen zu verspielen.“

Die EU-Institutionen hatten sich im Dezember auf einen Kompromiss für ein Lieferkettengesetz geeinigt. Demnach sollen etwa große Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Produktions- und Lieferketten zu Kinder- oder Zwangsarbeit kommt. Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) hatten vergangene Woche mitgeteilt, sie könnten die Richtlinie nicht mittragen. Die Abstimmung in der EU ist für diesen Freitag geplant.

Buschmann sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag), der vorliegende Vorschlag sei unpraktikabel für Unternehmen. „Das haben ja inzwischen nahezu alle großen Wirtschaftsverbände mit eindringlichen Worten betont und Alarm geschlagen.“ Unternehmen dürften nicht mit einer „überbürokratischen Regulierung“ gefesselt werden, die zudem handwerklich schlecht gemacht sei.

Der Minister sagte, dass es um Abkommen gehe, die sich eigentlich an Staaten richteten, damit diese konkrete Regeln zur besseren Einhaltung von Menschenrechten und zum Schutz der Umwelt festlegten. „Stattdessen sollen nun Unternehmen überlegen, was die Abkommen für sie bedeuten könnten.“

Er sei „sehr dafür, dass wir zu einer gut gemachten EU-Regulierung zur Stärkung des Menschenrechtsschutzes kommen“, so Buschmann. „Was da aber in aller Hast kurz vor der Europawahl mit heißer Nadel gestrickt wurde und nun zur Abstimmung steht, eignet sich dazu nicht. Ich wäre für einen frischen Start in der Sache nach der Wahl des Europäischen Parlaments.“

In Deutschland ist ein „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ seit einem Jahr in Kraft. Darin werden vor allem große Unternehmen verpflichtet, Menschenrechtsstandards in der gesamten Produktions- und Lieferkette zu gewährleisten. Mittlere Unternehmen sollen folgen.

Bundesumweltministerin Lemke betonte, es wäre ein schlechtes Signal für den globalen Umwelt- und Menschenrechtsschutz, wenn das EU-Lieferkettengesetz scheitern würde. Es wäre auch schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in der EU, gerade für die vielen bereits nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen, so Lemke. Sie bedauere, dass in der Bundesregierung bisher keine Einigung zur Zustimmung möglich gewesen sei, obwohl zentrale Änderungswünsche aus Deutschland in Brüssel berücksichtigt worden seien.

Verschiedene Organisationen kritisierten die geplante Enthaltung der Bundesregierung scharf. Damit sei es sehr ungewiss, ob die notwendige qualifizierte Mehrheit an diesem Freitag im EU-Rat zustande kommen werde, rügte das katholische Hilfswerk Misereor. Statt die ideologisch motivierte Sabotage der FDP zurückzuweisen, scheuten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Habeck (Grüne) den Konflikt und verweigerten Führung für Nachhaltigkeit. Die deutsche Enthaltung sei ein fatales Signal an alle Menschen, die weltweit von Ausbeutung, moderner Sklaverei, Vertreibung und Urwaldzerstörung betroffen seien. Ihnen solle nach dem Willen der Bundesregierung auch künftig kein Recht auf Entschädigung zustehen, wenn europäische Unternehmen ihre Menschenrechte verletzten.

KNA

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