Trauernde unterschiedlicher Religionen bei der Trauerfeier für die ermordete Friedensaktivistin Vivian Silver am 16. November 2023 im Kibbuz Gezer (Israel).
Israels Friedenslager trauert um prominente Aktivistin

„Hamas kann die Menschlichkeit nicht umbringen“

Kibbuz Gezer ‐ Die prominente Friedensaktivistin Vivian Silver wurde am 7. Oktober von der Hamas ermordet. Bei ihrer Trauerfeier machten hunderte Gleichgesinnte deutlich: Frieden ist der einzige Weg

Erstellt: 16.11.2023
Aktualisiert: 16.11.2023
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Von Andrea Krogmann (KNA)

Juden und Araber, Männer und Frauen, Religiöse und Säkulare: Sie alle hat Vivian Silver in ihrem Engagement für ein menschliches Miteinander vereint. Am Donnerstagmittag waren Hunderte von ihnen ins Kibbuz Gezer gekommen, um sich in einer bewegenden Trauerfeier von der kanadisch-israelischen Friedensaktivistin zu verabschieden. Beerdigt werden soll Vivian Silver am Freitag im engsten Kreis im Kibbuz Beeri, der seit 1990 ihre Heimat war. Dort hatten Terroristen der Hamas die 74-Jährige am 7. Oktober ermordet. Erst am Montag konnte ihre Leiche identifiziert werden.

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Abgeordnete der linken und der arabischen Parteien, Freunde und alles, was Rang und Namen hat im israelischen Friedenslager: Alle waren sie gekommen, um eine ihrer Ikonen zu betrauern. Entlang der Zufahrtsstraße stauten sich die Autos. Viele hatten die letzten Kilometer nach Gezer aus Mangel an Parkplätzen zu Fuß zurückgelegt. Auf ihren T-Shirts klare Botschaften: „Ob Frieden jetzt“, „Peace – Schalom – Salam“, „Wir sind alle gleich geschaffen“ oder „Der Besatzung in die Augen sehen“, für all das stand Vivian Silver. Im Kibbuz Gezer, den Silver nach ihrer Einwanderung nach Israel 1974 mitgegründet hatte, bekräftigten sie ihren Vorsatz, den gewaltsam beendeten Weg ihres Vorbilds weiterzuführen.

Sie sei eine Frau der großen Ideen gewesen, würdigte Sohn Jonathan Zeiger seine Mutter. Dank ihr und ihrem sanften Druck, ihn zu einem offeneren Geist zu machen, sei er ein besserer Mensch, sagte ihr Bruder Nir. Ein jeder brauche eine Vivian in seinem Leben. Einem jeden Menschen auf Augenhöhe begegnet zu sein und „ohne Grenzen geliebt und gegeben“ zu haben, das habe sie ausgemacht, sprach Kher Albaz, der Vorsitzende der arabisch-jüdischen Friedens- und Entwicklungsorganisation „Ajeec“, zu deren Gründerinnen und Leiterinnen Silver gehörte. „Allah yarhamha“, möge Gott Erbarmen mit ihr haben.

Mensch sein

38 Tage hätten sie gehofft, sagte die arabisch-israelische Friedensaktivistin Ghadir Hani, „gehofft, dass Du in Gaza bist, ganz nah bei uns“. Die Vorstellung, wie Silver selbst in den Tunneln der Hamas noch mit ihrem Lächeln Licht ins Dunkel bringe, habe sie getragen. Unter Tränen rekonstruiert Hani ihren letzten Austausch mit Silver auf WhatsApp, an jenem düsteren Schabbat. „Du hast gesagt, Deine Tür sei niemals verschlossen, damit jeder eintreten könne. Wie sehr habe ich an diesem Tag gehofft, dass Deine Tür ein Mal abgeschlossen ist.“

Hani spricht in ein Meer aus türkisen Tüchern und Hüten, die Farbe der Hoffnung, die sich die von Vivian Silver mitbegründete israelisch-palästinensische Friedensorganisation „Women Wage Peace“ (Frauen stiften Frieden) gegeben hat. Gelbe Bändchen an vielen Hand- und Fußgelenken fordern die Freilassung der mehr als 200 Geiseln, die am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt wurden. Die wichtigste Lektion Silvers sei gewesen, „Mensch zu sein“, so Hani. „Hamas kann diese Menschlichkeit, unsere Zusammenarbeit nicht umbringen.“

„Vivian war das schöne Gesicht der Gesellschaft“, sagte der Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende der Chadasch-Partei Ayman Odeh. Er hoffe, dass der Krieg in Gaza so schnell wie möglich aufhöre und dann endlich der eine und einzige Ausweg aus diesem Konflikt eingeschlagen werde: Zwei Völker, zwei Staaten, nebeneinander im Frieden. „Es ist an unserer Generation, diese Hoffnung endlich umzusetzen. Ich sehe hier, wie sehr das möglich ist – und es wird passieren!“

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