Bischof David Tencer von Reykjavik
Bischof von Reykjavík über die Situation der isländischen Kirche

„Wir müssen neue Pfarreien errichten und Kirchen bauen“

Die Zahl der Katholiken in Island wird auf rund 40.000 bis 50.000 geschätzt. Sie verteilen sich über eine riesige Insel. Zum Diasporasonntag (19. November) berichtet Bischof David Tencer von den pastoralen Herausforderungen.

Erstellt: 15.11.2023
Aktualisiert: 23.10.2023
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Der Bischof von Reykjavík, David Tencer, spricht im Interview über den Kirchenneubau in Island – und das „Praktikum im Norden“ als Tauschgeschäft.

Frage: Im nächsten Jahr sind es zwanzig Jahre, die Sie in Island tätig sind. Wie entwickelte sich in dieser Zeit die katholische Kirche im Bistum Reykjavík?

Bischof David Tencer: Es ist für mich eine Gnade Gottes, dass ich bald seit 20 Jahren in Island sein und ich so von der Entwicklung der Kirche in Island zeugen kann. Als ich nach Island kam, waren weniger als 5.000 Menschen im Land als Katholiken registriert. Es gab bloß fünf Pfarreien mit zusammen sechs Priestern, die für die Seelsorge zuständig waren. Ich selbst war dann der siebte Priester in Island. Und jetzt? Jetzt gibt es im Bistum Reykjavík mehr als 15.000 registrierte Katholikinnen und Katholiken – und noch viel mehr nicht registrierte Gläubige. Ich schätze, dass es zwischen 40.000 und 50.000 Katholiken in Island gibt. Mittlerweile haben wir acht Pfarreien, und zwei weitere sind in Planung. Und im Dienst sind jetzt statt nur sechs Priestern sogar 20 Priester. Ist das nicht ein Wunder?

Frage: Was sind die Schwerpunkte der pastoralen Arbeit im Bistum Reykjavík?

Bischof David Tencer: Unsere Pastorallinien kommen aus dem täglichen Leben. Die Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken in Island ist immigriert. Wir als katholische Kirche möchten, dass sich diese Menschen in Island angenommen und willkommen fühlen. Daher arbeiten wir mit allen isländischen Strukturen zusammenarbeiten, die in den Integrationsprozess eingebunden sind. Um am besten helfen zu können, müssen wir wachsen: Wir müssen neue Pfarreien errichten und neue Kirchen bauen, uns vernetzen und neue Personen für den Dienst vorbereiten.

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Frage: Im April legten Sie in Selfoss den Grundstein für eine vom Bonifatiuswerk geförderte Kirche. Wann ist der Neubau fertig und warum ist er notwendig?

Bischof David Tencer: In Selfoss und Umgebung leben mehrere Tausend Katholikinnen und Katholiken. Aber der Weg für die Priester war weit – 300 Kilometer. Im Winter sind die Straßen manchmal unpassierbar und teilweise mussten Messen dann ausfallen. Mit der neuen Kirche bauen wir auch ein Gemeindehaus und eine Priesterunterkunft. Wir hatten sehr lange auf die Grundsteinlegung gewartet. Daher war die Freude groß, als Anfang März endlich die Nachricht kam, dass die Baugenehmigung erteilt wurde. Die Kirche, die wir jetzt bauen, wird sehr gut genutzt werden – davon bin ich überzeugt! Hoffentlich können wir diese neue Kirche in zwei Jahren fertiggestellt haben. Alle, die diese Worte lesen, sind herzlich willkommen!

Frage: Das Bonifatiuswerk unterstützt neben dem Kirchbau in Selfoss zahlreiche weitere Projekte im Bistum Reykjavík. Wie wichtig ist diese Hilfe für die Katholikinnen und Katholiken vor Ort?

Bischof David Tencer: Viele von den katholischen Gläubigen in Island sind Immigranten – ich ja auch. Deswegen brauchen wir diese Hilfe, um Wurzeln schlagen und wirklich eine Ortskirche sein zu können. Wir hoffen, dass wir in Zukunft dann auch in anderen Orten der Welt helfen können.

„Der erste und notwendigste Weg ist der Kontakt.“

—  Zitat: Bischof David Tencer

Frage: Das Leitwort der diesjährigen Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerkes lautet „Entdecke, wer dich stärkt.“ Wie kann die stärkende Botschaft des Evangeliums in der heutigen Zeit vermittelt werden?

Bischof David Tencer: Der erste und notwendigste Weg ist der Kontakt. Das bedeutet, Kontakt durch Medien, durch unseren Dienst – aber der beste Weg, um die mutmachende Botschaft des Evangeliums in der heutigen Zeit zu vermitteln, ist der persönliche Kontakt, welchen wir suchen und natürlich auch am meisten nutzen.

Frage: Wer stärkt Sie persönlich?

Bischof David Tencer: Das sind viele, viele gute Leute und Gemeinschaften. Vivat Bonifatiuswerk! (Lacht) Diese helfen mir und stärken mich. Aber – und ich glaube das vom ganzen Herzen – Gott selbst stärkt mich am meisten.

Frage: 20 Freiwillige haben bereits ihr „Praktikum im Norden“ bei Ihnen im Bistum geleistet. Warum sollten junge Erwachsene unbedingt die katholische Diaspora in Nordeuropa kennenlernen?

Bischof David Tencer: Wenn man Waren nicht mit Geld bezahlt, sondern andere Waren dafür eintauscht, nennen Geschäftsleute das ein Tauschgeschäft. Das „Praktikum im Norden“ ist etwas ähnliches. Ich glaube, dass die Freiwilligen, die bei uns sind, vieles erleben und bekommen und in derselben Zeit zeigen sie uns ihre eigenen Erfahrungen, welche so wertvoll für uns sind. Wir tauschen also Erfahrungen miteinander aus und lernen dadurch voneinander.

Die Frage stellte Simon Helmers (Bonifatiuswerk)

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