Ein Erzbischof geht mit gutem Beispiel voran
Deir al-Ahmar ‐ Hanna Rahme stiefelt am liebsten selbst durch den Lehm. Wenn der maronitische Erzbischof der libanesischen Bekaa-Ebene seinen Weinberg bestellt, will er seinen Gläubigen Vorbild sein und Mut zum Bleiben vermitteln.
Aktualisiert: 06.10.2023
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Hanna Rahme ist ein Arbeiter nicht nur im Weinberg des Herrn. Mit geübten Griffen bindet der maronitische Erzbischof des Bistums Baalbek in der libanesischen Bekaa-Ebene junge Reben auf. Wenn Rahme mit sonnengegerbter Haut in kniehohen Gummistiefeln und lehmverschmierter Arbeitshose im bischöflichen Gewächshaus Salat pflückt, sich im Freigehege nach frischen Eiern bückt oder im Holzofen Brot backt, hat er vor allem eines im Kopf: „Als Bischof möchte ich Vorbild sein“, sagt der 63-Jährige. Sein Ziel: Christen dabei zu helfen, in der schwierigen Region zu bleiben – und möglichst viele von denen zurückzulocken, die bereits abgewandert sind.
Rahmes Amtssitz liegt in der mehrheitlich maronitischen Kleinstadt Deir al-Ahmar, knapp 22 Kilometer nordwestlich von der Schiiten-Hochburg Baalbek entfernt. Die Lebensbedingungen in der Hochebene zwischen dem Libanongebirge und dem Anti-Libanon sind harsch. Korruption, Armut und Arbeitslosigkeit sind in dem landwirtschaftlich geprägten Gebiet noch deutlicher spürbar als sonst im Libanon. Politische Instabilität und religiöser Fundamentalismus prägen den Alltag. Die Last der Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem benachbarten Syrien kommt erschwerend hinzu.
Im Land verwurzelt
„Die Wirtschaftskrise bricht uns das Rückgrat“, beschreibt Rahme die Situation, die „so schlimm wie noch nie“ sei. Kaum jemand hier kann wirtschaftlich mit der rasenden Inflation mithalten. Ein Grund mehr für den Erzbischof, auf dem fruchtbaren Boden selbst Hand anzulegen. Die Selbstversorgung könne für die Menschen eine erhebliche Entlastung sein. Dass bei seinen täglichen Feldarbeiten zusätzlich Lebensmittel abfallen, mit der er seine Gemeinde unterstützt, ist für Rahme nur ein positives Element. „Wir machen das auch, um unsere Traditionen zu erhalten. Die Verwurzelung mit unserem Land ist wichtig.“
Rahme hat an der Pariser Sorbonne studiert, Verwaltung und Management in der Kirche. Seit 2015 ist er Bischof der Region, in die er geboren wurde – mit großen Plänen. Ginge es nach dem Erzbischof, bekäme die Region einen Tunnel, um die christliche Minderheit mit den Christen auf der anderen Seite des Bergs zu verbinden. Der höchste Berg in der Region ist 3.900 Meter hoch, die nächstgelegene Passstraße mehrere Monate im Jahr wetterbedingt gesperrt. Ein solcher Tunnel, sagt Rahme, nähme dem Christen in der Bekaa viel Angst, „weil sie Anschluss an die anderen Christen im Land hätten“. Das vielgelobte Projekt scheiterte bisher, wie so vieles im Land, „wegen korrupter Politiker“.
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Ein anderer Tunnel, einer der Wasser aus den Bergen in die Hochebene bringen soll, ist zumindest teilweise realisiert. „Wir möchten der Gegend eine Infrastruktur ermöglichen, damit sie durch und mit uns wächst“, erklärt der Erzbischof. Auf der Wunschliste Rahmes stehen eine Universität und ein Krankenhaus, eine Schule und ein Dispensatorium sind bereits entstanden, ebenso wie zwei Klöster. „Die Menschen hier sind sehr gläubig. Wir müssen ihnen helfen, die Mission Christi zu verstehen, damit sie sie weitergeben können“, sagt Rahme.
Widerstandskraft
Die handfeste Hilfe des Erzbischofs und der Ordensleute in seinem Bistum beschränkt sich nicht auf Christen. Die Schule der Schwestern vom Guten Hirten etwa fährt gleich zwei Schichten. „Morgens unterrichten wir 175 syrische Flüchtlingskinder im Alter zwischen 5 und 16 Jahren, die sonst keine andere Schule haben. Nachmittags kommen etwa 120 libanesischen Kinder aus der Region, vor allem für Nachhilfe, aber auch, wenn es zuhause Probleme gibt“, erklärt Schwester Rita Hadschiti, Sozialarbeiterin und eine von drei Schwestern, die sich in Deir al-Ahmars spendenfinanzierter Schule der Mission Bildung und Evangelisierung verschrieben haben.
Wissensvermittlung ist nur ein Teil ihrer Arbeit, erklärt Hadschiti. Vor allem sollen die Kinder durch Friedenserziehung lernen, wie man zusammenlebt – eine Arbeit, bei der auch die Eltern miteinbezogen werden. Auch die Bewusstseinsschärfung der Familien angesichts eines weit verbreiteten Drogenproblems in der Bekaa, der Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt und eine Sensibilisierung gegen Phänomene wie Kinderehen stehen auf der Fahne der Schule. Mit ihrem Ansatz werden die christlichen Ordensfrauen auch von Muslimen sehr offen empfangen, „weil die Menschen merken, dass unser Einsatz aus Liebe geschieht“, sagen sie.
„Schaffen wir es zu bleiben, oder werden wir fallen?“, dies sei die große Frage der Zeit, sagt Hanna Rahme. Der Erzbischof und seine Ordensleute sind zuversichtlich, dass ihr Einsatz langfristig die christliche Existenz in dem Ort sichern kann. „Als Maroniten haben wir eine Geschichte der Verfolgung. Wir haben Widerstandskraft entwickelt.“
Monat der Weltmission
Der Sonntag der Weltmission fällt im Jahr 2023 auf den 22. Oktober. Im Vorlauf informieren die katholischen Missionswerke Missio Aachen und Missio München über die Situation von Christinnen und Christen in Syrien, Libanon und Ägypten.