Berliner Weltfriedenstreffen eröffnet: Mit Religionen gegen Hass
Berlin ‐ Als Schlichter in Konflikten hat sich die christliche Gemeinschaft Sant'Egidio weltweit einen Namen gemacht. Mit einem internationalen Treffen in Berlin will sie dem Friedensengagement der Religionen neuen Schwung geben.
Aktualisiert: 08.07.2024
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Mit Appellen an die friedensstiftende Aufgabe der Religionen hat am Sonntag in Berlin eine Internationale Konferenz der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio begonnen. Als „Kraft der Versöhnung“ könnten sie einen unverzichtbaren Dienst für die Menschheit leisten, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Vor ranghohen Vertretern von Juden, Christen, Muslimen und weiteren Weltreligionen verurteilte er zugleich die Unterstützung des Angriffskriegs auf die Ukraine durch die russisch-orthodoxe Kirche. „Religion darf niemals Rechtfertigung von Hass und Gewalt sein“, betonte das deutsche Staatsoberhaupt.
Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bezeichnete es als „nicht hinnehmbar“, dass eine christliche Kirche den Krieg gegen ein Nachbarland legitimiere. Er wertete es als Beispiel dafür, dass alle Religionen zu unterschiedlichen Zeiten ihrer Geschichte den Dämonen der Friedlosigkeit und Gewalt nachgegeben hätten. „Selbstkritik der Religionen ist also unabdingbar“, so Bätzing, „damit die Religionen glaubwürdige Akteure des Friedens sind“.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, warb für „eine starke Ukraine, die sich und ihre Freiheit verteidigen kann“, und zugleich für Verhandlungen, um „die Waffen zum Schweigen zu bringen“.
Großimam der Al-Azhar-Universität: Welt auf Stimme der Religionen angewiesen
Wie Steinmeier würdigte der Präsident des afrikanischen Staates Guinea-Bissau, Umaro Sissoco Embalo, das weltweite Engagement von Sant'Egidio in kriegerischen Konflikten, das unter anderem 1992 zu einem Friedensschluss in Mosambik geführt hatte. Embalo rief die Führungspersönlichkeiten der Religionen auf, die Staaten beim Einsatz für ein lebenswertere Welt zu unterstützen.
Der Großimam der ägyptischen Al-Azhar-Universität, Ahmed Al-Tayyeb, betonte ebenfalls, die Welt sei „mehr denn je auf die Stimmen der Religionen angewiesen“. Er forderte gleichen Respekt für deren heilige Symbole und kritisierte Koran-Verbrennungen in westlichen Ländern wie auch den Abriss von Kirchen in Pakistan. Zudem verurteilte der Großimam die Verletzung der Menschenrechte von Frauen in Afghanistan, über die bei der Auftaktveranstaltung die Studentin Zohra Arabi aus eigenem Erleben berichtete.
In Vertretung des Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, warb Zsolt Balla für einen weitgefassten Friedensbegriff. Das hebräische Wort Schalom bedeute eine harmonische Einheit der Beteiligten und sei mehr als eine Abwesenheit von Konflikten, erklärte der Leipziger Rabbiner. Sant'Egidio-Gründer Andrea Riccardi betonte, das Beispiel Berlin zeige, wie gemeinsamer friedlicher Druck von Menschen Mauern zu Fall bringen könne.
Zu dem bis Dienstag dauernden Friedenstreffen werden rund tausend Teilnehmende und Gäste aus über 30 Ländern erwartet. In 20 Foren geht es um Themen wie Umweltkrise, Migration, interreligiöser Dialog, Demokratie, Globalisierung, Abrüstung oder Künstliche Intelligenz.