Humanitäre Krise im Sudan weitet sich aus
Juba ‐ Tausende Südsudanesen fliehen wegen der anhaltenden Krise im Sudan zurück in ihre Heimat, vor allem den inzwischen unabhängigen Südsudan. Organisationen wie die Caritas versuchen, den Betroffenen zu helfen. Doch eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.
Aktualisiert: 12.05.2023
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Nach rund einem Monat erbitterter Kämpfe im Sudan sind 700.000 Menschen obdachlos geworden. Mehr als 160.000 davon flohen über die Grenze in Nachbarländer. „Und es werden täglich mehr“, sagt Elena Balatti. Die aus Italien stammende Ordensschwester leitet den Hilfseinsatz der Caritas in der Diözese Malakal im äußersten Norden Südsudans. In den vergangenen Tagen kamen Tausende Menschen aus dem Sudan in der Hauptstadt des Bundesstaats Upper Nile an. Dort werden in den nächsten Wochen mindestens 60.000 weitere Flüchtlinge erwartet.
„Die Menschen sind gestrandet, ohne Nahrung und Dach über dem Kopf“, beschreibt die Comboni-Schwester die Lage. Bei den meisten Ankömmlingen handele es sich um südsudanesische Rückkehrer, die zuvor im Sudan lebten. Aber auch Sudanesen sowie Eritreer und andere Staatsangehörige seien unter den Vertriebenen. Die Caritas unterstützt sie bei der Weiterreise: Per Lastenboot, mit dem die Helfer normalerweise humanitäre Einsätze begleiten, transportieren sie nun Flüchtlinge entlang des Nils. Bisher waren es 1.500. Gemeinsam mit lokalen Behörden und anderen Organisationen sollen die Notleidenden zusätzlich mit Unterkünften und Nahrungsmitteln versorgt werden.
Südsudan leidet noch an Folgen des eigenen Bürgerkriegs
Doch der Einsatz ist schwierig. Nicht zuletzt, weil die Bevölkerung in Upper Nile selbst immer noch unter den Folgen des Bürgerkriegs (2013-2020), ethnischer Gewalt und dem Klimawandel leidet. Zehntausende seien mittellose Vertriebene im eigenen Land, so Balatti. „Zu diesen Krisen kommt nun auch noch die große Flüchtlingskrise dazu. Hier von einer fragilen humanitären Situation zu sprechen, wäre eine Untertreibung.“
Seit Mitte April liefert sich Sudans Armee einen blutigen Machtkampf mit den Rapid Support Forces (RSF), einer 100.000 Mann starken paramilitärischen Einheit. Die Anführer der beiden Kräfte hatten nach dem Sturz von Diktator Omar al-Baschir 2019 in einer gemeinsamen Militärregierung geherrscht. Nun bekriegen sie sich zu Land und in der Luft. Sie werfen Bomben über Khartum und anderen Städten und machen die Sudanesen zu Gefangenen in ihren Wohnungen.
UNHCR-Vertreterin: Niemanden in den Sudan abschieben
Zuletzt forderte Elizabeth Tan, Vertreterin des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) ein humanitäres Bleiberecht für Sudanesen in allen Ländern – ohne Diskriminierung. Negative Asylbescheide sollten ausgesetzt werden, niemand dürfe in den Sudan zurückgeschickt werden. Ähnliches müsse für andere Staatsangehörige gelten, die Hilfe benötigten: „Im Sudan leben 1,1 Millionen Flüchtlinge, und diese Menschen brauchen Schutz“, betonte Tan.
Derzeit allerdings ist von Schutz kaum die Rede, wenn man Berichte von Geflüchteten aus den Grenzregionen hört. So berichtet das Portal „The New Humanitarian“ von tagelangen Wartezeiten für ein Visum, das Ägypten von Sudanesen vor Einreise verlange. Im Tschad schliefen Betroffene unter freiem Himmel und auch im Südsudan seien viele Rückkehrer ohne Beistand an der Grenze gestrandet. „Weiter entfernte Länder wie Großbritannien haben auch deutlich gemacht, dass sudanesische Flüchtlinge nicht willkommen sind“, so das Fachmagazin.
„Selbst wenn sie nicht direkt angegriffen werden, geraten Zivilisten laufend zwischen die Fronten“, erläutert Balatti. Strom-, Wasser- und Internetversorgung seien vielerorts gekappt. In den wenigen noch nicht zerstörten Krankenhäusern fehlten lebensrettende Medikamente. Mehr als 500 Menschen kamen den Angaben zufolge bisher ums Leben, etwa 5.000 wurden verletzt.
Experten rechnen mit langanhaltenden Gefechten
Einige Experten, darunter jene der International Crisis Group, rechnen inzwischen mit einem verschleppten Konflikt: Da beide Parteien von ihrer militärischen Überlegenheit überzeugt seien, könnten die Gefechte noch Wochen oder Monate dauern. Eine politische Lösung ist trotz laufender Verhandlungen in Saudi-Arabien über eine Waffenruhe nicht in Sicht. Für Ordensfrau Balatti unverständlich: „Beide Anführer sind gläubige Muslime. Sie glauben an einen Gott der Barmherzigkeit und des Friedens. Jetzt müssen sie in die Tat umsetzen, woran sie glauben.“
KNA