Menschen stehen am Strand. Einer hat ein Blumengesteck in der Hand
Bild: © Agiamondo

Friedenskonferenz ermutigt zu Versöhnung in Liberia

Eine internationale Konferenz mit kirchlicher Beteiligung hat im westafrikanischen Liberia zu Versöhnung und Vergangenheitsbewältigung aufgerufen.

Erstellt: 24.04.2023
Aktualisiert: 28.04.2023
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Wenn Gewalt über eine lange Zeit das Leben von Gemeinschaften bestimmt, bedeutet dies tiefe Einschnitte und Brüche im Leben der betroffenen Menschen. Die verstörenden Erfahrungen prägen Selbstverständnis, Weltsicht, Kommunikation und Handlungsmuster aller. Individuelle und gesellschaftliche Heilungsprozesse sind notwendig, damit alle gleichermaßen wieder an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben und ihr Leben wieder selbst gestalten können.

Aber wie kann Versöhnung vor dem Hintergrund von zerstörten Beziehungen, Misstrauen, Angst und sozialer Fragmentierung gelingen? Viele Partnerorganisationen von AGIAMONDO, dem katholischen Dienst für Personal und Beratung für internationale Zusammenarbeit, arbeiten im Zivilen Friedensdienst zu diesem Thema mit dem Ziel, die Gesellschaft neu zu gestalten. Das bedeutet u.a. sich auf langwierige Aushandlungsprozesse von Wahrheitsfindung, Herstellung von Gerechtigkeit und den (Wieder-)Aufbau von tragfähigen Beziehungen einzulassen. Sich dabei mit dem Unversöhnten zu konfrontieren und den Verletzungen nicht aus dem Weg zu gehen, ist ein wichtiger Schritt auf einem Weg, der sich immer wieder neu daran ausrichtet, die Würde der von Gewalt betroffenen Menschen wiederherzustellen.

Mit den Erfahrungen aus der Praxis solcher Prozesse und dem Austausch darüber, befasste sich ein internationaler Workshop in Monrovia/Liberia im April diesen Jahres. Organisiert hatte die Veranstaltung mit dem Titel „Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit und Versöhnung – Lernen durch Erfahrungen in Liberia“ die Deutschen Kommission Justitia et Pax und AGIAMONDO in Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche in Liberia. Es nahmen rund 50 Personen daran teil, die zu dem Thema in ihren Herkunftsländern arbeiten, darunter Mitglieder der liberianischen Bischofskonferenz und Vertreterinnen von Partnerorganisationen aus afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Ländern.

Gruppenfoto Teilnehmende Workshop Erinnerung Liberia
Bild: © Agiamondo

Workshop in Liberia: Gruppenfoto der Teilnehmenden

Der Workshop ist Teil der Arbeit zum Schwerpunktthema „Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit“ im Zivilen Friedensdienst (ZFD) von AGIAMONDO. Nach ähnlichen Veranstaltungen, z.B. in Uganda, Kolumbien und Deutschland, ist dies der achte Workshop dieser Art. Die Workshop-Reihe möchte die beteiligten Akteure – Vertreterinnen und Vertreter von Partnerorganisationen sowie Fachkräfte – in einen Erfahrungsaustausch zu ihrer Arbeit bringen, einen Raum für gemeinsames Lernen anhand eines ausgewählten Landeskontextes bieten, sie vernetzen und in ihrem Engagement stärken.

Während des 14 Jahre andauernden Bürgerkrieges in Liberia von 1989 bis 2003, wurden rund 250.000 Menschen ermordet. Rund eine Million Menschen floh ins Ausland. Die Grenzen zwischen Opfern, Tätern und Friedensakteuren verwischen zum Teil. Dies ist eine Herausforderung für die Bemühungen um Friedenskonsolidierung und Versöhnung und bedeutet, dass der Frieden in Liberia auch 20 Jahre nach dem offiziellen Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2003 noch immer fragil ist.

Bild: © Rev. Fr. Varfee, Archdiocese of Monrovia

Gemeinsamer Gottesdienst aller Teilnehmenden vor der Workshoperöffnung

Die Teilnehmenden in Monrovia trafen mit Menschen zusammen, die Gewalt erlitten und ausgeübt haben sowie mit Vertreter*innen von Initiativen, die sich um Versöhnung und die Gestaltung eines friedlichen Zusammenlebens bemühen.

Neben dem besonderen Ansatz, Erfahrungen durch direkte Begegnung und Austausch zu machen, war die Aufmerksamkeit der internationalen Teilnehmenden für die in Liberia gemachten Erfahrungen ein konkretes Zeichen der Solidarität mit all jenen, die sich dort für die schwierige Arbeit in Friedens- und Versöhnungsprozessen einsetzen. Diese Solidarität gilt insbesondere den Opfern, deren (Leidens-)Erfahrungen und Perspektiven im Mittelpunkt des Workshops standen. Der Workshop befasste sich darüber hinaus mit Fragen der strafrechtlichen Verfolgung und Wiedereingliederung von Tätern.

Martin Vehrenberg, stv. Geschäftsführer von AGIAMONDO, sagte im Anschluss an den Workshop: „Diese Art der Zusammenarbeit ist nicht zuletzt ein Ausdruck unseres Selbstverständnisses von Kirche als Lerngemeinschaft. Wir wollten mit dem Workshop die Kirche in Liberia in ihrer Arbeit und ihrem Zeugnis unterstützen, gerade auch angesichts der aktuellen politischen Herausforderungen.“ Ein solches Zeugnis der Weltkirche, so Vehrenberg weiter, das die Vielfalt und den Reichtum der Erfahrungen und die Einheit des Engagements zum Ausdruck bringt, sei gerade im Hinblick auf die Globalisierung von großer Bedeutung.

Von Katharina Engels und Dr. Friederike Repnik (AGIAMONDO)

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