25 Jahre Karfreitagsabkommen – Schritt auf dem Weg zum Frieden in Nordirland
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Neue Gefährdungen durch den EU-Austritt Großbritanniens

25 Jahre Karfreitagsabkommen – Schritt auf dem Weg zum Frieden in Nordirland

Belfast ‐ Das Karfreitagsabkommen von 1998 beendete die gewalttätige Phase eines blutigen Konflikts mitten in der EU. Ausgerechnet der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs („Brexit“) hat nun das Potenzial, zugeschüttete Gräben neu aufzuwerfen.

Erstellt: 09.04.2023
Aktualisiert: 05.02.2024
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Von Alexander Brüggemann (KNA)

Es war ein langer und blutiger Weg bis zu jenem Karfreitag vor 25 Jahren. Endlich Frieden in Nordirland. Acht Konfliktparteien einigten sich am 10. April 1998, in einer Kirche in Belfast, im sogenannten Karfreitagsabkommen auf einen historischen Kompromiss.

Bis dieser Befreiungsschlag zum Frieden freilich besiegelt war, mussten sich die Verhandler von Irland, Großbritannien und den wichtigsten nordirischen Konfliktparteien heimlich treffen und durch den Hintereingang kommen. Vor allem die Nordiren mussten Rache von ihren eigenen Hardlinern befürchten, wie der frühere Bischof von Down und Connor (Belfast), Noel Treanor, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtete.

Am Ende aber votierten in einer Volksabstimmung 71 Prozent der Nordiren und 94 Prozent der Iren für das Abkommen. Irland verzichtet darin auf den Anspruch einer Wiedervereinigung; im Gegenzug soll diese per Referendum aller Nordiren möglich bleiben. Die (festgeschriebene) Bildung einer gemeinsamen Regierung von Unionisten und Republikanern soll den Friedensprozess im Land schützen.

Entwaffnung, Haftentlassungen und eine Reduzierung der britischen Truppen waren weitere Bestandteile. Und ein Passus, der nun, im Angesicht des Brexit 2020, noch einmal eine ganz neue Brisanz erhielt: Nordiren haben seit 1998 das Recht, zusätzlich zum britischen einen irischen und damit voll EU-gültigen Pass zu beantragen.

Die Ursache des Konflikts wurzelt tief in der Geschichte. Im Hochmittelalter drangen die Normannen aus England bis auf die irische Insel vor; seit Anfang des 17. Jahrhunderts siedelten protestantische Engländer und Schotten in der Provinz Ulster im Nordosten Irlands. Und 1801 wurde Irland gar komplett der englischen Krone unterstellt.

Bis heute gibt es katholische und protestantische Wohnviertel

Das 20. Jahrhundert stand dann im Zeichen von Widerstand und Partisanenkrieg: Osteraufstand 1916, Bürgerkrieg, ab 1948 eine unabhängige Republik Irland – wobei der Nordosten unter englischer Kuratel blieb, ein Teil des „Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland“. Die irische Republik pochte stets auf eine Herausgabe des Nordens - in dessen ländlichen und ärmeren Regionen die katholischen Iren in der Mehrheit waren.

Seit 1966, als militante protestantische Aktivisten durch Attentate katholische Ressentiments gegen die behördliche Diskriminierung anheizten, wurde der Konflikt blutig und brutal. Gewalt der „Irisch-Republikanischen Armee“ (IRA) wurde mit Gegengewalt und Vergeltung beantwortet. Die britische Armee, zur Beruhigung der Lage herbeigerufen, verlor ihre anfängliche Neutralität und wurde selbst Partei.

Nach dem „Blutsonntag“ (Bloody Sunday), als im Januar 1972 in Derry 13 unbewaffnete Demonstranten von englischen Fallschirmjägern erschossen wurden, eskalierte die Lage. Die englische Regierung übernahm die Kontrolle und entmachtete das nordirische Parlament. Nordiren beider Seiten fühlten sich von der jeweiligen Heimatfront zu wenig unterstützt. Milizen radikalisierten und spalteten sich; Spitzelsysteme wurden etabliert. Die Lage wurde vollends unübersichtlich.

Rund 3.500 bis 4.000 Menschen starben, etwa die Hälfte davon Zivilisten. Dabei war es nur eine kleine Minderheit von Aktivisten, die den bewaffneten Kampf befürwortete und tatsächlich betrieb. Doch die Spaltung der Gesellschaft wurde begünstigt durch das streng konfessionelle Schulsystem im Land, auf das die jeweiligen Kirchenleitungen bestanden hatten. Es gab – und gibt bis heute – Viertel in der Hauptstadt Belfast, in denen fast ausschließlich Katholiken oder Protestanten wohnen.

Katholiken stimmten für Verbleib in der EU

Der Schlussstrich unter Jahrzehnte des Blutvergießens gelang mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 tatsächlich. Doch der Konflikt schwelt bis heute weiter. Der katholische Bevölkerungsanteil ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen; seit 2021 stellen Katholiken wieder die Bevölkerungsmehrheit in Nordirland. Es gibt Rückschläge, unversöhnliche Haltungen, schwierige Regierungsbildungen; vereinzelt gab es sogar Ausschreitungen und Bombenexplosionen.

Dennoch: Gesellschaftliche Aussöhnung ist seitdem auf einem ziemlich guten Weg. Allerdings ist die Nordirland-Frage der politisch heikelste Aspekt des gesamten Brexit. Das Wohlstandsgefälle zwischen dem irisch-katholischen und dem besser situierten britisch-protestantischen Bevölkerungsteil ist immer noch vorhanden. Zudem hatten sich 56 Prozent der Nordiren für einen Verbleib in der EU ausgesprochen; klare Mehrheiten dafür gab es in den katholisch bewohnten Wahlkreisen.

Die irlandaffinen Katholiken schielen weiter auf die EU; und manche, wie der Sinn-Fein-Abgeordnete John Finucane, sogar auf die „Möglichkeit eines Einheitsreferendums“ für ein Ende der irischen Teilung. Der Sprengstoff für solche Bestrebungen liegt auf der Hand. kna

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