Reaktionen auf Weltklimabericht

Jedes Zehntelgrad zählt

Der Weltklimarat IPCC hat heute einen neuen Bericht vorgelegt. Misereor-Klimaexpertin Anika Schroeder sieht die Menschheit auf einem „zerstörerischen Entwicklungspfad“.

Erstellt: 20.03.2023
Aktualisiert: 20.03.2023
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Von Christoph Arens (KNA)

Nach der Veröffentlichung des neuen Weltklimaberichts betonen deutsche Politiker und Entwicklungsorganisationen, dass der Kampf gegen den Klimawandel in jedem Fall lohne. Jedes Zehntel verhinderten CO2-Ausstoßes vergrößere die Handlungsspielräume der Menschheit.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte am Montag in Berlin, der Bericht des Weltklimarats mache mit brutaler Klarheit deutlich, „dass wir an dem Ast sägen, auf dem wir als Weltgemeinschaft sitzen“. Es sei „weiterhin möglich, die 1,5 Grad in Reichweite zu halten, wenn wir in den nächsten sieben Jahren die globalen Emissionen halbieren“. Die Menschheit habe das nötige Wissen, die passenden Technologien und auch die finanziellen Mittel.

Das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor erklärte, die Menschheit befinde sich weiter auf einem zerstörerischen Entwicklungspfad. „Die Klimakrise macht arm. Sie macht hungrig. Sie macht krank. Und sie ist in vielen Fällen auch tödlich“, sagte Misereor-Klimaexpertin Anika Schroeder. Auch wenn sich die Menschen im globalen Süden recht gut mit den neuen Umweltbedingungen arrangierten, seien vielerorts doch die Grenzen der Anpassung erreicht.

Jedes Zehntel Grad vermiedene Temperatur-Erhöhung verbessere den Handlungsspielraum der Menschen, und insbesondere der verwundbarsten Bevölkerungsgruppen, betonte Schroeder. Heftige Kritik äußerte sie an der deutschen Energiepolitik. Fortschritte auf EU-Ebene würden dadurch zunichte gemacht, dass Deutschland mehr Gas und Kohle aus Ländern des globalen Südens importiere und sogar direkt in die Förderung dieser Rohstoffe investiere. Die Bundesregierung unterlaufe damit auch die Bemühungen afrikanischer Experten, ihre Regierungen für eine dezentrale und saubere Energieversorgung zu gewinnen.

Auch die Umweltorganisation Germanwatch kritisierte wachsende Investitionen in neue Öl- und Gasfelder. Öl- und Gasunternehmen sowie -staaten hätten 2022 Rekordgewinne eingefahren. Schon die jetzt getätigten und geplanten Investitionen führten zu einer Überschreitung der Großgefahrenschwelle, erklärte der Politische Geschäftsführer Christoph Bals.

Germanwatch forderte eine sofortige massive Beschleunigung der Investitionen in Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Elektrifizierung von Verkehr und Heizungen. „Es gilt, das Klimaschutzgesetz umzusetzen und ein Klimasofortprogramm zu verabschieden, das den Rechtsbruch insbesondere im Verkehrs-, aber auch im Gebäudesektor beendet.“

Bals warb zugleich für verstärkte internationale Kooperation. „Insbesondere für die ärmeren Länder, die am stärksten gefährdet sind, aber am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, ist massive Unterstützung notwendig.“ Sie brauchten langfristige Finanzzusagen, wenn sie Klimaschutz und -anpassung ernsthaft voran bringen wollten.

Germanwatch warnte davor, zu große Hoffnungen in Technologien für sogenannte negative Emissionen zu setzen. Dazu sei immenser Aufwand nötig; die Techniken seien zum Teil noch unbekannt oder kaum erprobt und sehr teuer. kna

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