Papstgesandter bittet Kuba um Freilassung inhaftierter Regimekritiker
Havanna ‐ Für das Ein-Parteien-Regime in Havanna kann die Bitte des Kirchenvertreters um Freilassung von politischen Gefangenen inmitten einer schweren Krise zu einer goldenen Brücke werden. Nun ist Präsident Miguel Diaz-Canel am Zug.
Aktualisiert: 09.02.2023
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Mehr als 300.000 Flüchtlinge allein in einem Jahr, Dutzende auf der Flucht ertrunkene Migranten, mehr als 1.000 politische Gefangene auf Kuba – dazu eine immer schlimmer werdende Versorgungs- und Vertrauenskrise auf der Karibikinsel. Bislang stellte sich die sozialistische Ein-Parteien-Regierung in Havanna stets taub, wenn aus den USA oder Europa Forderungen kamen, die Inhaftierten der Sozialproteste von 2021 freizulassen. Doch nun kommt eine Bitte – keine Forderung. Und die wird nicht vom politischen Klassenfeind geäußert, sondern vom Oberhaupt der katholischen Kirche. Da sich Franziskus in der Vergangenheit nie negativ über die kubanische Diktatur geäußert hatte, gilt er in den offiziellen Staatsmedien als Freund.
Überbringer der politischen Bitte war Kurienkardinal Beniamino Stella, der als Papstgesandter aus Anlass des 25. Jahrestages des ersten Papstbesuches auf Kuba mehr als zwei Wochen vor Ort war. Papst Johannes Paul II. war 1998 auf die damals noch von Revolutionsführer Fidel Castro regierte Insel gereist.
Nicht der erste Versuch
Am Mittwoch (Ortszeit) machte Stella den Wunsch des Papstes öffentlich. Dass dies am Rande eines gemeinsamen Besuches der Universität von Havanna mit Kubas Präsident Miguel Diaz-Canel geschah, ist bemerkenswert. Den Berichten zufolge sagte Stella in der kubanischen Hauptstadt, dass sich die katholische Kirche sehr wünsche, dass das Regime die Inhaftierten freilasse, die am 11. Juli 2021 im ganzen Land demonstriert haben. Der Papst hoffe, dass es eine positive Antwort geben werde. Es sei wichtig, dass die jungen Menschen, die aufgrund ihrer Teilnahme an den Protesten inhaftiert worden seien, nach Hause zurückkehren können. Er habe während seines Besuchs den Wunsch gegenüber den Behörden zum Ausdruck bringen können, betonte der Italiener.
Damit ist die Bitte des Papstes in der Welt und die kubanische Regierung am Zug. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Kirche auf Kuba ein Vermittlungserfolg gelingt. Zuletzt hatte sie den Besuch von Papst Franziskus 2015 genutzt, um von der Regierung die Freilassung von mehr als 3.500 Häftlingen zu erwirken.
Freilassung könnte außenpolitische Isolation verringern
Die Freilassung der politischen Gefangenen der Sozialproteste gilt als Schlüssel für viele weitere drängende Fragen auf Kuba. Eine solche Geste würde dem Dialog mit den USA wieder neuen Schwung verleihen, ebenso wie Gespräche mit der Europäischen Union über Handelsabkommen. In Washington gilt das als Vorbedingung. Schon einmal hatten der damalige US Präsident Barack Obama und das damalige kubanische Staatsoberhaupt Raul Castro einen Versuch unternommen, die ideologischen Gräben durch Annäherung zu überwinden. Initiiert und unterstützt hatte diese historische Annäherung Papst Franziskus, 2016 besuchte Obama sogar Kuba.
Doch die anhaltende Versorgungskrise auf Kuba – laut Regierung durch das jahrzehntealte US-Embargo verursacht, laut Regierungskritikern durch Korruption und Planwirtschaft – ließ die Menschen auf die Straße gehen. Vor zwei Jahren forderten sie dann nicht nur Brot, sondern auch demokratische Öffnungen. Kuba reagierte knallhart, steckte selbst minderjährige Demonstranten ins Gefängnis.
Auch für Franziskus wäre eine Amnestie auf Kuba eine Art Befreiungsschlag: Ihm wird von konservativen Kreisen vorgeworfen, die Menschenrechtsverletzungen in den drei Linksautokratien Kuba, Venezuela und Nicaragua nicht öffentlich zu verurteilen. Gelänge jetzt dank seiner nun öffentlich bekannten Initiative eine Freilassung der politischen Gefangenen auf Kuba, könnte das den Papst auch in Venezuela und Nicaragua in eine Vermittlerrolle bringen und würde im Nachhinein seine Zurückhaltung in einem neuen Licht erscheinen lassen.