„Der interreligiöse Dialog braucht Geduld und Entschlossenheit“
Abu Dhabi ‐ Als vor vier Jahren Papst Franziskus und Großimam Ahmad Al-Tayyib ein gemeinsames Dokument unterzeichneten, war das ein Meilenstein im interreligiösen Dialog. Der Wunsch nach Freundschaft wurde sehr positiv aufgenommen, erzählt Bischof Bertram Meier (Augsburg).
Aktualisiert: 07.02.2023
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Der Augsburger Bischof Bertram Meier hat fünf Tage lang Abu Dhabi besucht. In der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate nahm er von Freitag bis Dienstag unter anderem an einer interreligiösen Konferenz teil. Sie erinnerte an die Unterzeichnung des „Dokuments über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“ durch Papst Franziskus und den Großimam der Kairoer Azhar-Universität, Ahmad al-Tayyib, am 4. Februar 2019 in Abu Dhabi. Für den Dialog zwischen Christen und Muslimen gilt die Erklärung gilt als Meilenstein. Im KNA-Interview berichtet Meier, in der Deutschen Bischofskonferenz zuständig für den Bereich Weltkirche, über den Stand des interreligiösen Gesprächs.
Frage: Herr Bischof Meier, Ihr eigener Vortrag beim Kongress in Abu Dhabi stand unter dem Motto „Lasst uns gemeinsam Brücken bauen“. Welchen Eindrücke nehmen Sie mit? Lebt der Dialog zwischen Christen und Muslimen?
Bischof Dr. Bertram Meier: In Abu Dhabi war dieser Geist sehr lebendig. Die zentrale Botschaft des Dokuments von Papst Franziskus und Scheich Ahmad al-Tayyib, dass alle Menschen Geschwister sind und gemeinsam verantwortlich für diese Erde, war bei meinen Begegnungen mit Muslimen durchweg spürbar. Wir sehen die Herausforderungen: Ein Jahr nach der Unterzeichnung des Dokuments begann die Pandemie; die Welt leidet unter Armut und Konflikten; und noch während des Kongresses zeigte uns die schreckliche Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien: Nur mit dem gemeinsamen Willen zu Brüderlichkeit und Solidarität bleibt der Globus der Garten Gottes.
Frage: Also ist das Dokument von Abu Dhabi ein Erfolg?
Meier: Papst Franziskus hat damit seinen Kerngedanken von der Geschwisterlichkeit aller Menschen bei vielen Muslimen wie dem Gremium des Muslimischen Ältestenrates bestätigt gefunden, und in der islamischen Welt wurde dieser Wunsch nach Freundschaft sehr positiv aufgenommen. Der daraus hervorgegangene Internationale Tag der menschlichen Geschwisterlichkeit am 4. Februar ist ein gutes Signal für die Weltgemeinschaft. Aber ich würde mir wünschen, dass der Inhalt des Dokuments noch viel mehr Resonanz in der Breite findet. In Deutschland könnten wir zum Beispiel im Religionsunterricht das Verständnis für die anderen Weltreligionen noch mehr fördern oder in interreligiösen Gesprächskreisen noch stärker auf die Botschaften des Dokuments eingehen.
Frage: Mancher kritisiert, die Kirche in Deutschland pflege einen zu gutgläubigen Umgang mit den Islamverbänden. Manche von ihnen zeigten sich zwar dialogbereit, verträten aber nach innen einen sehr traditionalistischen Islam, der sich abgrenze.
Meier: Da warne ich vor einem allzu holzschnittartigen Bild. Ich habe den Eindruck, dass in der Vergangenheit viel echtes Vertrauen zwischen den Dialogpartnern in Deutschland aufgebaut wurde, das wir vertiefen sollten. Natürlich ist der interreligiöse Dialog immer ein „geistliches Experiment“. Wir müssen ihn aber mit Geduld und Entschlossenheit weiterführen. Letztlich kommt es doch erst einmal darauf an, dass mir das Gegenüber sagt: „Ja, ich will mit dir reden.“ Dann sollte man diese Chance auch unvoreingenommen ergreifen.
Frage: Die Vereinigten Arabischen Emirate sind wie andere Golfstaaten ein Land zwischen Tradition und Moderne. Wie haben Sie die Atmosphäre dort erlebt?
Meier: Ich war beeindruckt von der geistigen Offenheit, die ich hier gespürt habe. Das Land ist alles andere als eine islamistische Diktatur, die Dialog als Show betreibt. Man will vor allem wirtschaftlich vorankommen und sich für die Welt öffnen, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu verlieren. Es gibt hier das Wort von einer „smarten“ Entwicklung der Gesellschaft. Die Christen, die ja fast alle Gastarbeiter aus asiatischen Ländern sind, können ihren Glauben in gewissen Grenzen frei ausüben. Eine echte Offenbarung war für mich die große Präsenz selbstbewusster muslimischer Frauen, bei der Konferenz und anderen Begegnungen. Viele stehen im öffentlichen Leben und sind gut ausgebildet. An den Unis und höheren Schulen stellen Mädchen und Frauen die Mehrheit. Dieses Bild hatte ich nicht erwartet.
Frage: Quasi um die Ecke, in Katar, fand im Dezember die Fußball-WM statt. Bekanntlich stand sie in Deutschland im Zeichen der Debatte um Homosexuellen- und Menschenrechte. Auf der Arabischen Halbinsel sorgte das für Kritik. War das in Abu Dhabi noch Thema?
Meier: Nein, darauf wurde ich nicht angesprochen. Das war auch nicht der Sinn meines Besuchs. Abgesehen davon, dass man die islamischen Länder ohnehin nicht in einen Topf werfen kann und sollte, plädiere ich auch für einen kultursensiblen Umgang mit solchen Themen. Der Begriff Diversität spielt in den Emiraten zwar durchaus eine Rolle und ist hier auch gefallen. Aber man versteht darunter etwas anderes als im Westen. Dabei geht es vor allem um das Miteinander der diversen Kulturen. Und da sehe ich das Land auf einem ganz guten Weg. KNA
Die Fragen stellte Christoph Schmidt (KNA)