Papst Franziskus und Ahmad al-Tayyeb, Großcheich der Al-Azhar-Moschee
Intensives Programm in Bahrain

Dritter Papstbesuch in der Golfregion beendet

Manama/Rom ‐ Anders als Saudi-Arabien gilt das Königreich Bahrain als ein relativ toleranter Staat. Es gibt Kirchen, Frauen sitzen im Parlament, Gastarbeiter haben gewisse Rechte. Dennoch war der Papst dort in heikler Mission unterwegs.

Erstellt: 07.11.2022
Aktualisiert: 07.11.2022
Lesedauer: 
Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Nach einem Wortgottesdienst mit katholischen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Seelsorgern von der gesamten arabischen Halbinsel hat Papst Franziskus am Sonntag in Manama seine viertägige Bahrain-Reise beendet.

In seiner Schlussansprache in der ersten katholischen Pfarrei der arabischen Halbinsel machte er unmissverständlich klar, dass er die oft geäußerte Sorge, das Christentum sei im Nahen Osten dem Untergang geweiht, nicht teilt. Im Gegenteil: Er rief die Zuhörer auf, in den „multireligiösen und multikulturellen“ Gesellschaften, in denen sie leben, „zugunsten des Dialogs, als Stifter von Gemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern anderer Glaubensrichtungen und Konfessionen“ zu wirken.

Angesichts eines Christenanteils von fünf bis zehn Prozent in den meisten Staaten des Nahen und Mittleren Ostens klang das kühn. Doch die Erfahrungen seiner Besuche in den Vereinigten Emiraten (2019), im Irak (2021) und jetzt in Bahrain scheinen den Papst darin bestärkt zu haben, dass die Christen im Allgemeinen und die Katholiken im Besonderen in dieser Region aktiv auftreten und etwas bewirken können: Als Anwälte von Minderheitenrechten, Toleranz und Religionsfreiheit, als Protagonisten des Dialogs, der Geschwisterlichkeit und des Friedens.

Die großen Freiluftgottesdienste in Abu Dhabi, Erbil und Bahrain, an denen bei drei Papstreisen Zehntausende Gläubige aus mehr als 100 Nationen teilnahmen, haben gezeigt, dass die Christen im Nahen Osten heute eine Gemeinschaft bilden, die Nationen, Kulturen und Sprachen übergreift und deren Werte für jeden Staat in der Region ein Gewinn sein können. In einer Weltgegend, in der konfessionell und ethnisch motivierte Konflikte stets dominante Faktoren der Politik sind, ist das eine bemerkenswerte Alternative.

Grenzen des Sagbaren ausgelotet

Längst ist die zumeist aus Ostasien stammende christliche Minderheit in Bahrain und den anderen Golfstaaten eine unverzichtbare Säule des Wohlstands geworden. Dazu zählen Millionen von oft rechtlosen Gastarbeitern im Tourismus, in der Öl- und Bauindustrie, inzwischen aber auch viele Fachkräfte in der Finanz- und Digitalwirtschaft.

Hinzu kommt eine sich verändernde Großwetterlage im Umfeld. In Saudi-Arabien sprechen Beobachter von einem Modernisierungs- und Liberalisierungsschub. Und die jahrzehntelang auf die gesamte Region ausstrahlende iranisch-schiitische Bewegung wirkt angesichts des Legitimitätsverlusts des Mullah-Regimes in Teheran weniger bedrohlich als noch vor wenigen Jahren. Auch das eröffnet neue Spielräume.

Diese Entwicklungen haben der Papst und seine Redenschreiber im Vatikan offenbar dazu bewegt, in Bahrain neue Grenzen des Sagbaren auszuloten. Unter anderem forderte der Papst in seinen insgesamt sieben Ansprachen ein Lebensrecht auch für zum Tode Verurteilte, die Gleichberechtigung der Frauen in der Gesellschaft, Bildung für Mädchen, Arbeitnehmerrechte für alle, das Ende von Diskriminierungen Andersgläubiger, freie Religionsausübung und ein Ende der konfessionell motivierten Gewalt.

Wichtige Verbündete hat er in dem gemäßigten Schiitenführer Ayatollah Al-Sistani im Irak und vor allem in dem sunnitischen Großimam Ahmed al-Tayyeb von der Al-Azhar-Universität in Kairo gefunden. Mit letzterem verbindet den Papst nach zahlreichen Begegnungen und gemeinsam unterzeichneten Toleranz- und Dialogerklärungen eine besondere Freundschaft, die auch bei ihren gemeinsamen Auftritten in Bahrain zum Tragen kam. Al-Tayyeb hat in Bahrain öffentlich zum Dialog von Schiiten und Sunniten und zur Überwindung ihrer gewaltsamen Konflikte aufgerufen – auch das ein Indiz dafür, dass die päpstliche Friedensbotschaft über die katholische Kirche hinaus Wirkung entfaltet.

Vom westlichen Feminismus und vom Genderismus ist die neue Koalition gemäßigter Muslime und Katholiken weit entfernt. Aber noch schärfer ist ihr Gegensatz zu den Gesellschaftsmodellen, die Fundamentalisten in Saudi-Arabien, im Iran, im „Kalifat“ des IS oder in Afghanistan durchzusetzen versuchten oder noch immer versuchen.

Franziskus hat sich bei seinem dritten Besuch in der Golfregion als Prophet eines Glaubens in Szene gesetzt, der sich an den Geboten Gottes und gleichzeitig an der Freiheit der Person und der wechselseitigen Toleranz und des Pluralismus orientiert. An den ersten beiden Tagen in Bahrain tat er dies in sorgfältig inszenierten interreligiösen Begegnungen, danach in mutmachenden Ansprachen an die christliche Minderheit.

Im Palast des Königs und in seinem kleinen Königreich erregte der Gast aus dem Vatikan durch seine Bescheidenheit Aufsehen. Mehr noch als das Vorfahren im unvermeidlichen Fiat 500 waren es die Auftritte im Rollstuhl, das sichtbare Leiden beim Gehen und die kleinen, menschenfreundlichen Gesten, mit denen der 85-jährige viele Herzen gewann. Menschen auf der Straße äußerten ebenso wie Gäste in TV-Sondersendungen Bewunderung und Respekt für „Baba Francis“.

Ob seine Botschaft bleibende Wirkung entfaltet, ist ungewiss. Doch als im Umfeld seines Auftritts in der einzigen katholischen Schule des Landes am Samstagabend eine kleine Gruppe von Angehörigen von zum Tode verurteilten Häftlingen mit den Parolen „Toleranz“ und „Dialog“ für eine Begnadigung demonstrierte, nahm die Polizei sie fest – und ließ sie nach einer kurzen Ermahnung wieder frei.

KNA