Bolsonaro abgewählt – Lula gewinnt knapp
Rio de Janeiro/Sao Paulo ‐ Der erste Wahlrunde hatte Brasiliens Luiz Inacio da Silva noch mit einem Vorsprung von rund fünf Prozent gewonnen. Bei der Stichwahl am Sonntag fiel das Ergebnis deutlich knapper aus.
Aktualisiert: 31.10.2022
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Brasiliens neuer Präsident heißt Luiz Inacio Lula da Silva. Der 77-jährige Ex-Gewerkschaftsführer und zweimalige Präsident gewann am Sonntag (Ortszeit) die Stichwahl gegen Amtsinhaber Jair Messias Bolsonaro mit 50,9 zu 49,1 Prozent. Lula erreichte knapp über 60 Millionen Stimmen, rund 2,1 Millionen mehr als Bolsonaro. Nachdem er 2018 und 2019 wegen Korruption in Haft saß, meldete sich Lula nun auf der politischen Bühne zurück: „Sie wollten mich lebend begraben. Aber hier bin ich!“
Human Rights Watch forderte Wahlsieger Lula auf, nun den Menschenrechten Vorrang einzuräumen und schwere Rückschläge während der Präsidentschaft Bolsonaros rückgängig zu machen. Bolsonaro sei „eine Katastrophe für die Menschenrechte im In- und Ausland“ gewesen, sagte die Amerika-Direktorin der Organisation, Juanita Goebertus, in der Nacht zum Montag.
Bereits den ersten Wahlgang Anfang Oktober hatte Lula gewonnen. Doch die damals fünf Prozent Vorsprung auf Bolsonaro schmolzen in den vergangenen Wochen auf unter zwei Prozent zusammen. Trotz des knappen Ergebnisses kam es biskang zu keinen größeren Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Lager. Bolsonaro gab allerdings am Wahlabend keinerlei Stellungnahme ab; auch gratulierte er Lula nicht zum Wahlsieg. Im Vorfeld der Wahl hatte es Spekulationen gegeben, ob Bolsonaro eine Niederlage womöglich nicht anerkennen werde.
In ersten Statements zeigte sich Lula, der Brasilien bereits von 2003 bis 2010 regierte, versöhnlich. „Die Zeit ist gekommen, um die Waffen niederzulegen“, sagte er. Dies war vor allem eine Botschaft an Bolsonaros Anhänger, nachdem der Ex-Militär mehrfach erklärt hatte, „Brasiliens Freiheit“ notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen. Lula gab sich versöhnlich und bot Bolsonaros Anhängern eine Zusammenarbeit an. „Es gibt keine zwei Brasilien“, so Lula.
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Er übernehme Brasilien in einer schwierigen Situation; aber er habe „Vertrauen in Gott, dass ich mit dem Volk zusammen einen Ausweg finde, damit wir wieder demokratisch und harmonisch zusammeneben können“. Es gelte, auch innerhalb der Familien wieder Frieden zu schaffen, sagte Lula. Politische Polarisierung hat in Brasilien Millionen Familien gespalten. Lula versprach, die indigene Völker zu schützen und die Abholzung Amazoniens „auf null zu drücken“.
Während Amtsinhaber Bolsonaro zuletzt auf der internationalen Bühne immer isolierter wurde, erreichten Lula noch am Sonntagabend (Ortszeit) Glückwünsche aus der ganzen Welt. US-Präsident Joe Biden gratulierte weniger als 40 Minuten nach Lulas Sieg, gefolgt von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch aus Deutschland, China und südamerikanischen Nachbarländern kamen zeitnah Glückwünsche. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach den Wunsch aus, die eingefrorene strategische Partnerschaft mit Brasilien neu zu beleben.
Adveniat-Chef Maier: Bolsonaro muss Niederlage anerkennen
Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Martin Maier bezeichnete am Montag den Ausgang der Wahl in Brasilien als Sieg für die Demokratie, die Armen, die Umwelt und das Weltklima. „Bolsonaro muss seine Niederlage nun anerkennen und Lula die zerrissene Gesellschaft nach diesem – in so einer Form nie dagewesenen – vergifteten Wahlkampf einen“, so Maier.
Er erinnerte an einen offenen Brief von mehr als 60 brasilianischen Bischöfen. Darin hatten diese den Wählenden ungewöhnlich deutlich erklärt, dass es bei der Wahl um die Entscheidung zwischen zwei konträren Gesellschaftsmodellen gehe, erklärte der Hauptgeschäftsführer Maier: „das eine demokratisch, das andere autoritär; das eine engagiert für den Schutz des Lebens, angefangen bei den Armen, das andere für die ‚Wirtschaft, die tötet‘ (Papst Franziskus in Evangelii Gaudium); das eine kümmert sich um Bildung, Gesundheit, Arbeit, Ernährung, Kultur, das andere schätzt die öffentliche Politik gering, weil es die Armen verachtet“. Nun müsse der neugewählte Präsident seinen Versprechen auch Taten folgen lassen.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte noch in der Wahlnacht, Lula solle mit der Arbeit an einem Plan beginnen, um die „schädliche Politik“ des rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro unter anderem in den Bereichen öffentliche Sicherheit, Umwelt, Frauen, LGBT und Rechte von Ureinwohnern umzukehren. Der 77-Jährige tritt sein Amt voraussichtlich am 1. Januar an.
In seiner ersten öffentlichen Erklärung nach dem Wahlsieg rief der gewählte Präsident zu nationaler Einheit und zum Dialog zwischen Exekutive, Kongress und Justiz auf. Sein Engagement in Lulas erster Amtszeit galt unter anderem dem Kampf gegen Hunger, Armut, Gewalt gegen Frauen und indigene Völker, Rassismus und gegen die Abholzung des Amazonas.
KNA/Adveniat/weltkirche.de