Mit Blick auf die fast fünf Jahrzehnte andauernden Vorwürfe und auf die Kritik an ihm und seiner Theologie sagte Gutierrez: „Es waren harte Jahre, auch mit mancher Versuchung, die Brocken hinzuwerfen. Aber ich habe weitergemacht.“ Er selbst habe die Verdächtigungen vieler Bischöfe in Lateinamerika sowie in der Kurie in Rom auch als Affront gegen die Menschen in Lateinamerika empfunden.
Der Vorwurf an die Befreiungstheologie, sie sei marxistisch, habe zu vielen Opfern unter Laien, Priestern und Ordensleuten geführt. „Man hat einen hohen Preis gezahlt“, so Gutierrez. Als ein Beispiel nannte er den ermordeten salvadorianischen Erzbischof Oscar Romero (1917-1980): „Heute sind wir froh, diese Person zu haben, dieses Vorbild“. Romero wurde im Oktober 2018 heiliggesprochen.
Der Dominikanerpater Gutierrez zählt zu den bekanntesten Vertretern der sogenannten Befreiungstheologie. Sein Buch „Teologia de la Liberacion“ von 1971 gab der Bewegung ihren Namen. Es formuliert den Vorrang des konkreten praktischen Lebens vor der theologischen Reflexion, sieht Arme und Unterdrückte als erste Adressaten des Evangeliums.
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