Im Gushiegu-Camp fühlt sich Moseam wohl. Hier hat sie ihre eigene Lehmhütte zusammen mit ihrem Sohn. Als Kind einer „Hexe“ wird auch er es nicht leicht haben. Doch mit Unterstützung der Steyler Missionare kann er in ein paar Jahren zur Schule gehen und dadurch ein eigenständiges Leben aufbauen. Im Gushiegu-Camp sind die beiden in Sicherheit. Moseam schläft ruhig und hat keine Angst mehr um ihr Leben. Ein Lächeln zuckt über ihr Gesicht, wenn sie von den anderen Frauen erzählt: „Wir sind eine tolle Gemeinschaft. Wir stehen morgens auf und grüßen uns erst einmal gegenseitig. Oft tanzen wir zusammen. Das gibt mir Kraft!“
Sie alle haben das gleiche Schicksal und das schweißt sie zusammen. Pater Phanuel hat für seine anthropologische Masterarbeit über Hexenbeschuldigungen einige Zeit mit den Frauen im Camp verbracht. „Es hat sich ein beeindruckendes neues soziales Gefüge gebildet“, erzählt er. „Man kümmert sich gegenseitig umeinander. Die jungen und starken Frauen gehen früh morgens zwei Kilometer bis zum Markt in der Stadt und suchen dort heruntergefallene Körner, Mais und Hirse zusammen. Die älteren kochen daraus und aus den Nahrungsspenden, die wir Steyler Missionare ihnen bringen, Brei.“
Durch ihr Stigma ist es sehr schwer für die Frauen, einen Job zu finden. Auch Moseam ist arbeitslos. Um ihren Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten, geht sie tagsüber auf Farmen und sucht Erntereste zusammen. „Das ist alles, was ich heute finden konnte.“ Sie zeigt auf den Boden und fängt langsam an, einen kleinen Haufen Getreide zu sortieren. Sand und Steine müssen raus. Morgen wird daraus Frühstück gemacht. Noch ist sie „die Neue“ im Camp. Manch andere ist schon über 20 Jahre dort. All ihre Gesichter sind gezeichnet von ihrem Schicksal. Moseam ist auf ihrem rechten Auge blind. Sie erzählt nicht viel. Und doch spricht ein Stolz aus ihr, wenn sie erzählt. Der Stolz einer Frau, die nicht aufgegeben hat und die mit neuem Lebensmut nach vorne blickt.
Von Melanie Pies-Kalkum, Steyler Mission Deutschland.
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