Den wohl aufsehenerregendsten Einsatz Misereors für die Menschenrechte und eine gerechtere Welt gab es 1983. Unter dem Motto „Ich will ein Mensch sein“ prangerte das Hilfswerk während der Fastenaktion das Apartheid-Regime und den Rassismus in Südafrika an. Eine Diskussion über die Rolle christlicher Hilfswerke entbrannte.
Misereor setzt auf Dialog: Die Ortskirchen sind füreinander verantwortlich und helfen einander. In diesem Sinn ist auch die materielle Hilfe des Nordens keine Einbahnstraße. Wo etwa der reiche Norden ratlos vor der Zusammenlegung von Gemeinden zu Großpfarreien steht, können die Ortskirchen des Südens ihre positiven Erfahrungen einbringen. Die sogenannten Basisgemeinden als Kirche vor Ort – eine Zwischenstruktur, die angesichts des Priestermangels als ein Modell auch hier diskutiert werden könnte.
Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel sieht auch Deutschland „in mancherlei Hinsicht“ als ein Entwicklungsland, etwa „was die Verlagerung der Kosten für unsere Lebensweise auf andere Nationen und Menschen betrifft“. Soziale und ökologische Kosten würden verschleiert und „Lasten auf andere Staaten im globalen Süden abgewälzt“. Entwicklungszusammenarbeit, so Spiegel, könne „nur dann wirksam sein, wenn sie auch uns selbst einschließt“.
Misereor ist in 60 Jahren zum Vorbild für andere, auch nichtkirchliche Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit geworden. Freilich hat sich die Welt in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder rasant verändert. Der „Krieg gegen den Terrorismus“ etwa und die dramatische Flüchtlingskrise haben zu einer Verzerrung der Weltsicht geführt. Alle reden über Sicherheit für den Norden. Dabei sind es gerade die Ärmsten, die ständig in der größten aller Unsicherheiten leben müssen: der Angst um die nackte Existenz. Vor diesem Horizont geht Misereor in seine nächsten 60 Jahre. Die Arbeitsfelder sind nicht weniger geworden – im Gegenteil.