Frage: Präsident Salva Kiir und sein Widersacher, Rebellenführer Riek Machar haben eine Waffenruhe unterzeichnet. Was ist davon zu halten?
Bergmeier: Als am 27.06.2018 ein weiteres Friedensabkommen zwischen Präsident Kiir und dem einflussreichsten Rebellenführer und früheren Vizepräsidenten Machar in Khartum unterzeichnet wurde, kam kurzzeitig Hoffnung auf, dass dies weitreichende Entspannung in die komplizierte Konfliktlage des Südsudans bringen könnte. Vor allem die vereinbarte Waffenruhe binnen 72 Stunden schien ein guter Anfang zu sein. Die regionale Einbindung der neuen IGAD-Friedensinitiative (Intergovernmental Authority on Development) mit Äthiopien, Uganda, Sudan und Kenia ist vielversprechend und drückt eine neue regionale Verantwortung für die Konflikte in Südsudan aus.
Worum geht es konkret? Das Friedensabkommen von 2015 ließ eine Reihe von Fragen offen, die bisher nicht klar geregelt und umgesetzt sind. Dies sollte die Khartum-Vereinbarung neben dem unmittelbaren Waffenstillstand wieder voranbringen, also zum Beispiel stärkere föderale Strukturen schaffen, Infrastrukturentwicklung, Rehabilitierung der Ölförderung voranbringen. Aber auch ein Fahrplan zu Wahlen nach einer Übergangszeit von drei Jahren sowie die Überwachung des Waffenstillstands durch die Nachbarstaaten sind genannt.
An verschiedenen Standorten ist der Waffenstillstand aber bereits gebrochen oder gar nicht erst begonnen worden. Das Misstrauen gerade der zahlreichen Milizen, die überhaupt nicht bei den Friedensverhandlungen in Addis Abeba wie auch jetzt in Khartum zugelassen wurden, ist groß. Sie halten sich nicht an von außen kommende Vereinbarungen. Eine Bereitschaft von Präsident Kiirs Regierungsvertretern, Machar wieder einmal zum Vizepräsidenten zu machen, ist nicht gegeben. Wahlen, die neue Eliten des Landes in Führungspositionen bringen könnten, finden wie gesagt aus finanziellen wie politischen Gründen der Machterhaltung nicht statt. Keine guten Rahmenbedingungen für eine Waffenruhe.
Frage: Das Land ist aufgrund des Bürgerkrieges und von anhaltender Dürre von Hunger betroffen. Wie sieht die Situation im Land konkret aus und wo gibt es die größten Probleme?
Bergmeier: Um die Probleme im Land wirksam anzugehen, muss die politische Destabilisierung, die durch Angriffe bewaffneter Milizen und Gegenschläge der Regierungstruppen erfolgt, beendet werden. Die dadurch ausgelöste Flucht von über einem Drittel der Bevölkerung ist eine Auswirkung davon, nicht die Ursache.
Ohne tiefgreifende politische Reformen und Verhandlungslösungen, etwa zur Entwaffnung der Milizen und Oppositionsgruppen wird eine Rückkehr von Flüchtlingen nicht gelingen. Entscheidend wird die nächste Phase der Verhandlungen ab dem 10. Juli 2018 in Nairobi sein. Wenn es dann nicht gelingt, zumindest einige der großen staatlichen Reformmaßnahmen, eine neue Machtaufteilung und notwendige Sicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten, ist das sich bereits abzeichnende Scheitern der Vereinbarungen von Khartum nicht abzuwenden.
Die Regenzeit steht an und wird das Thema Dürre zunächst etwas entschärfen. Weil viele Bauern geflüchtet sind und nicht ausgesät wurde, wird jedoch mittelfristig eine Nahrungsmittelversorgung nicht möglich sein. Zu viele Felder bleiben unbestellt. Hungerkatastrophen in den Staaten, vor allem in Jonglei, Unity sind prognostiziert oder bereits bittere Realität.
Die Probleme im Südsudan sind keine Naturkatastrophe, sondern die Folge schlechter Regierungsführung eines multi-ethnischen Staates, der von regionalen wie globalen Interessen ignoriert oder falsch unterstützt wurde.
Das Interview führten Nina Brodbeck und Barbara Wiegard von Misereor.
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