Untrügliche Zeichen der Unterernährung bei Kindern
In der provisorischen Krankenstation geht es nur langsam vorwärts, denn eigentlich fehlt es den Bewohnern von Plingue hier oben auf dem Berg an fast allem. Die Haare der Kinder zeigen durchgehend blond-rötliche Verfärbungen – untrügliche Anzeichen für Unter- und Mangelernährung, Durchfallerkrankungen, Entzündungen, Zahnschmerzen. Schwester Mirca und ihre Helferinnen hören den Bewohnern von Plingue zu und versuchen, die mitgebrachten Medikamente sinnvoll zu verteilen.
Die Helferinnen haben auch ein Paar Säcke Reis und Bohnen mitgebracht, in großen Kartons liegen überdies Hosen, Röcke, T-Shirts und Schuhe bereit. Zusammen mit den wenigen noch einigermaßen kräftigen Dorfbewohnern haben Mirca und ihre Begleiterinnen die Hilfsmittel nach Plingue getragen. „Die Menschen jammern kaum, obwohl sie viele Gründe hätten“, erklärt die Ordensschwester. „Sie werden ihre Hütten aufbauen und die Felder wieder bestellen, aber im Moment kommen sie ohne Hilfe nicht zurecht.“
Hilfe, die vornehmlich von außen kommt. Der kleine Inselstaat leidet nicht nur unter den katastrophalen politischen Verfehlungen der zurückliegenden Jahrzehnte, er wird auch regelmäßig von Naturkatastrophen heimgesucht. „Seit dem verheerenden Erdbeben 2010 haben wir 708 Projekte mit Spendengeldern in Höhe von 14,3 Millionen Euro gefördert“, sagt Margit Wichelmann, Haiti-Referentin bei Adveniat. Hurrikan Matthew hat die große Not nach dem Erdbeben, dessen Auswirkungen bis heute zu spüren sind, weiter verstärkt.
Das Lateinamerika-Hilfswerk hat die Haitianische Bischofskonferenz beim Aufbau eines Wiederaufbaubüros unterstützt, das sicherstellt, dass sämtliche kirchlichen Bauwerke erdbeben- und hurrikansicher gebaut werden. „Dies ist überlebensnotwendig, weil sich die Menschen bei jedem Erdbeben und jedem Wirbelsturm in Kirchen und kirchliche Einrichtungen flüchten“, erklärt Adveniat-Expertin Margit Wichelmann. „Möglichst keine Opfer mehr in kirchlichen Gebäuden lautet unsere gemeinsame Maßgabe.“
„Wir schaffen das!“, sagt Schwester Mirca und man fragt sich unweigerlich, warum gerade dieser Satz bei uns in Deutschland zu solch hässlichen Kontroversen geführt hat. „Wir müssen das schaffen, die Menschen hier haben keine andere Wahl.“ Mirca lächelt, obwohl sie nach ihrem gut zehnstündigen Einsatz in Plingue einfach nur erschöpft sein dürfte. „Morgen geht es weiter!“, sagt die Schwester. Sie hat sechs Monate nach Hurrikan Matthew noch einiges zu schaffen.
Von Michael Gösele
© Adveniat