Häuser mit Flaggen in dem Dorf Narew (Polen) am 15. November 2021.
Knappes Stichwahlergebnis

EU-Skeptiker Nawrocki gewinnt Präsidentenwahl in Polen

Warschau  ‐ In der Stichwahl um das polnische Präsidentenamt hat sich der nationalkonservative Oppositionskandidat Karol Nawrocki knapp durchgesetzt. Beobachter schätzen, dass er die Regierung von Ministerpräsident Tusk blockiert.

Erstellt: 02.06.2025
Aktualisiert: 02.06.2025
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Der nationalkonservative EU-Skeptiker Karol Nawrocki wird nach Auszählung aller Stimmen neuer polnischer Präsident. Der massiv von der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützte promovierte Historiker gewann nach Angaben der Wahlkommission am Sonntag die Stichwahl mit 50,89 Prozent der Stimmen. Der rechtsliberale Bewerber aus dem Regierungslager, Rafal Trzaskowski, erreichte 49,11 Prozent.

„So einen Wahlabend hat man in Polen noch nicht erlebt“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe, Paul Ziemiak, am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Man wisse noch nicht viel über den wahrscheinlich neuen Präsidenten und auch nicht, wie abhängig er von Rechtsextremen sei. Diese hatten sich laut Ziemiak vor der Stichwahl für Nawrocki ausgesprochen.

Die Präsidentenwahl stieß in Polen auf großes Interesse. Ihre Stimmen gaben demnach 71,63 Prozent der mehr als 28 Millionen Wahlberechtigten ab. Damit haben so viele Menschen wie noch nie zuvor seit 1990 bei einer Präsidentenwahl abgestimmt.

Die nationalkonservative Oppositionspartei PiS, die Nawrocki ins Rennen geschickt hatte, bezeichnet den 42-Jährigen - wie er sich selbst auch - als Bürgerkandidaten, weil er offiziell von einem unabhängigen Komitee nominiert wurde. Der Historiker hatte bisher als einziges politisches Mandat von 2011 bis 2017 den Vorsitz der Volksvertretung in seinem Danziger Stadtbezirk Siedlce inne. Von 2017 bis 2021 leitete er das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Seither leitet er das staatliche Institut für Nationales Gedenken, das für die Aufarbeitung von kommunistischen und nationalsozialistischen Verbrechen zuständig ist.

Nawrocki warb im Wahlkampf mit der Parole „Polen zuerst“ und seiner Nähe zu US-Präsident Donald Trump für sich. Als Staatschef will er ähnlich wie der scheidende Amtsinhaber Andrzej Duda zentrale Wahlversprechen der Mitte-Links-Regierung in Warschau blockieren, etwa Änderungen an Gerichten. CDU-Politiker Ziemiak bezeichnete Nawrockis Wahlsieg als „Niederlage für die amtierende Regierung“ von Ministerpräsident Donald Tusk. „Sie hat viele enttäuscht, weil sie ihre Versprechen nicht umsetzen konnte.“

Sein Gegner Trzaskowski hatte für den Fall seines Wahlsiegs dagegen eine Zusammenarbeit mit der Regierung angekündigt. Polen brauche keine Konflikte, erklärte er im Wahlkampf. Der 53-Jährige Trzaskowski befürwortet im Gegensatz zu Nawrocki eine Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und eine Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Trzaskowski hatte sich nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend zunächst zum Wahlsieger erklärt. Erste Nachwahlbefragungen sahen ihn vorne.

Der Präsident spielt in Polen bei der Gesetzgebung eine Schlüsselrolle. Er kann sein Veto gegen Gesetze einlegen, die das Parlament verabschiedet hat. Und der aktuellen Mitte-Links-Koalition von Ministerpräsident Tusk fehlt im Unterhaus Sejm eine eigene Drei-Fünftel-Mehrheit, um ein Nein des Präsidenten überstimmen zu können.

Der scheidende Präsident Andrzej Duda konnte etwa problemlos verhindern, dass Tusks Regierung die hochumstrittene Justizreform der nationalkonservativen Vorgängerregierung rückgängig macht. Polens Verfassung erlaubte Duda keine dritte fünfjährige Amtsperiode.

KNA

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