Katholiken in USA und Lateinamerika befürworten Kirchen-Reformen
Washington ‐ Katholische Gläubigen in den USA und sechs Ländern Lateinamerikas wünschen sich laut einer neuen Studie mehrheitlich grundlegende Veränderungen. Und sie setzen Hoffnungen in Franziskus.
Aktualisiert: 02.10.2024
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Die Umfrage des Washingtoner Pew Research Center hält für die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten und Lateinamerika auch einige gute Nachricht bereit: Papst Franziskus verkörpert in den Augen vieler Millionen Gläubiger in sieben Staaten die Hoffnung auf einen Wandel. In den USA etwa sehen 42 Prozent der Katholiken in ihm eine treibende Kraft in Sachen Reformen. Zusätzliche 30 Prozent attestieren ihm, mindestens kleine Veränderungen in der Kirche bewirkt zu haben.
Das geht einher mit einer anhaltend hohen Beliebtheit des aus Argentinien stammenden Kirchenoberhaupts. In allen untersuchten Ländern haben mindestens zwei Drittel der Katholiken eine positive Meinung von ihm. In den USA ist die Popularität des Papstes zuletzt zwar zurückgegangen, aber nicht allzu sehr. 2014 hatten noch 85 Prozent der US-Katholiken eine positive Meinung von Franziskus, heute sind es 75 Prozent. Besonders beliebt ist der 87-Jährige mit 88 Prozent in Kolumbien und 84 Prozent in Brasilien.
Diese Befunde seien bemerkenswert, sagte der am Boston College tätige Soziologe Gustavo Morello dem „Religion News Service“. „Ich konnte keine andere Führungspersönlichkeit finden, die nach zehn Jahren im Amt ein besseres Image hat als der Papst“, so der Experte.
Die anderen Befunde der Pew-Studie stellen für die Kirche indes eine Herausforderung dar. Sie zeigen, dass ein großer Teil der Gläubigen bei vielen Themen teils deutlich von der offiziellen Lehre abweicht. So sind die Zustimmungsraten für künstliche Verhütungsmethoden enorm. In allen untersuchten Ländern spricht sich eine klare Mehrheit der Katholiken dafür aus, dass die Kirche den Gebrauch solcher Mittel erlauben sollte. Die Werte reichen von 86 Prozent in Argentinien bis zu 63 Prozent in Brasilien. In den USA befürworten 83 Prozent der Katholiken den Gebrauch der Pille und anderer Mittel.
Jonathan Evans, einer der Studienautoren, erkennt in diesen Zahlen, „dass die offizielle Kirchenlehre zur Empfängnisverhütung von vielen Gläubigen nicht mehr mitgetragen wird“. Auch bei der Frage der Frauenweihe zeichnet sich ein Wandel ab. Evans beobachtet „eine signifikante Verschiebung der Einstellungen innerhalb einer Dekade“.
Mehrheit offen für Frauenordination
In den meisten der ausgewerteten Länder befürwortet inzwischen eine Mehrheit der katholischen Gläubigen eine Zulassung von Frauen zum Priesteramt. In den USA sprechen sich laut der Studie 64 Prozent dafür aus. Noch deutlicher ist die Zustimmung in Brasilien mit 83 Prozent. Jüngere Katholiken befürworten die abgefragten Reformvorschläge durchweg stärker als ältere. In Kolumbien beispielsweise unterstützen 65 Prozent der 18- bis 39-jährigen Katholiken eine Frauenordination, während es bei den über 40-Jährigen nur 49 Prozent sind.
Bei der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften beobachten die Pew-Forscher hingegen größere Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. „Kulturelle und gesellschaftliche Faktoren spielen hier eine wichtige Rolle“, so Evans.
In Argentinien würde demnach eine klare Mehrheit von 70 Prozent der Katholiken eine Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen durch die Kirche befürworten. In den USA unterstützt nur eine knappe Mehrheit von 54 Prozent einen solchen Schritt. In anderen Ländern überwiegt die Ablehnung. Am geringsten ist die Zustimmung in Peru, wo sie lediglich 32 Prozent beträgt.
Ähnlich kontrovers sind die Ansichten zu einer möglichen Aufhebung des Pflichtzölibats: In den USA (69 Prozent), Chile (65 Prozent) und Argentinien (64 Prozent) sprechen sich jeweils rund zwei von drei Katholiken dafür aus, Priestern die Heirat erlauben. In Kolumbien (52 Prozent) und Brasilien (50 Prozent) sind die Meinungen gespalten. In Mexiko (38 Prozent) und Peru (32 Prozent) lehnt dagegen eine Mehrheit die Aufhebung des Zölibats ab.
Die Ergebnisse der Studie zeigen laut den Forschern, dass die Kirche vor einem schwierigen Balanceakt steht: Einerseits müsse sie auf den sich vollziehenden gesellschaftlichen Wertewandel reagieren, andererseits dürfe sie ihre eigene Tradition nicht aufgeben.