Eröffnung des Konzils der Jugend am 30. August 1974 in Taize.
Bild: © KNA-Bild
Initiative für kirchlichen Aufbruch

Vor 50 Jahren begann das „Konzil der Jugend“ in Taize

Das „Konzil der Jugend“ war eine geistliche Initiative der ökumenischen Gemeinschaft von Taize in den 1970er Jahren. Sie zielte darauf ab, Lebensweisen der modernen Gesellschaft zu überdenken und zu verändern. Manches ist geblieben.

Erstellt: 30.08.2024
Aktualisiert: 26.08.2024
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Von Joachim Heinz und Alexander Brüggemann (KNA)

40.000 Jugendliche aus 100 Ländern

Die Idee entstand im Zuge der Studentenrevolten der 1968er Jahre – nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), das bei der jungen Generation bald schon Ungeduld und Enttäuschung aufkommen ließ. Das politische Engagement von Jugendlichen sollte für positive Veränderungen von Gesellschaft und Kirche genutzt werden. Den Anstoß zum „Konzil der Jugend“ lieferte Frere Roger Schutz (1915-2005), Leiter und Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taize. Im Dezember 1969 fragte er Papst Paul VI. nach seiner Meinung zu der Idee eines Jugendkonzils – und der sagte: „Starten Sie es!“

Zur Vorbereitung wurde zu Ostern 1970 eine „Freudige Nachricht“ verfasst, die die Grundfragen und Themenstellungen kurz umriss. In den Folgejahren entwickelte sich durch Begegnungen im französischen Taize, durch gegenseitige Besuche der Jugendlichen und Engagement in ihren Heimatgemeinden ein persönlicher wie internationaler Bewusstwerdungsprozess.

Das eigentliche Konzil der Jugend wurde vor 50 Jahren, am 30. August 1974, mit rund 40.000 Jugendlichen aus mehr als 100 Nationen in Taize von Frere Roger an einem schwülen Sommerabend eröffnet. Auf ein Gebet für die Jugend der Welt folgte ein schweres Gewitter – und später dann Grußworte von den Kirchengrößen der Welt. Ein „Brief an das Volk Gottes“ gehörte zu den weiteren Dokumenten: „Kirche, was sagst du von deiner Zukunft?“ Über die Tage des Konzils: Regen, immer mehr Regen.

Ein Quantensprung – für Taize

Selbst Sympathisanten von Taize fragten sich allerdings: Was war das jetzt? Ein Jahrmarkt der Möglichkeiten? Eine Bestätigung dessen, was der jeweils Einzelne an Meinungen mitgebracht hat? Frere Roger selbst sah die so lange vorüberlegte Großveranstaltung als einen Fehlschlag an. „Ich hatte den Eindruck, dass unter den Zelten mehr Nebel als Licht herrschte“, sagte er später einem Journalisten.

In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtete dagegen der Deutsche Alois Löser, der Frere Roger als Prior von Taize nachfolgte, dass er diese Versammlung als „großes Fest“ erlebte. „Es herrschte eine echte Aufbruchstimmung; eine Hoffnung, dass sich in Kirche und Gesellschaft vieles verändert: mehr Gerechtigkeit, ein stärkeres christliches Engagement“, so Frere Alois, der damals 20 Jahre alt war. „Man hat gespürt, dass hier ein Ort ist, an dem einem zugehört wird, an dem man so sein kann, wie man ist, ohne dass gleich Forderungen gestellt werden.“

Zugleich räumt der ehemalige Prior von Taize ein, dass die Durchschlagskraft der Veranstaltung begrenzt war. Für ein Konzil mit konkreten Texten hätte es offizielle Kirchenvertreter und nicht nur Jugendliche gebraucht. Frere Roger sei es stattdessen darum gegangen, „die spirituelle Vitalität der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils wiederzufinden“. Für die Gemeinschaft von Taize sei das Jugendkonzil ein Quantensprung gewesen, so Frere Alois. „So viele Jugendliche aufzunehmen und ständig mit ihnen in Kontakt zu sein, hat uns sehr geprägt und hat auch bewirkt, dass wir die Europäischen Jugendtreffen an Silvester seit so vielen Jahren weiterführen.“

Einiges ist geblieben

Noch ein ganz anderes Erbe hat das „Konzil der Jugend“ hinterlassen: die für Taize typischen Gesänge. Die Gemeinschaft stellte fest, dass der gemeinsame Gesang von Tausenden Jugendlichen aus vielen Ländern nicht gut funktionierte. Jede Nation brachte zwar ihre Gesangstradition und ihre geistlichen Lieblingsstücke mit – doch die Jugendlichen aus anderen Ländern mussten wegen fehlender Kenntnisse von Sprache oder Melodie meist stumm danebensitzen. Auch Übersetzungen klappten nicht gut. Es brauchte gemeinsame Lieder für eine betende, internationale Jugend der 70er Jahre.

Jacques Berthier (1923-1994), der Jesuit Joseph Gelineau (1920-2008) und Frere Robert Giscard (1923-1993), Cousin von Frankreichs früherem Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing und einer der ersten Brüder von Taize, prägten die Gesänge. Wichtigstes Stilmittel ist das Ostinato, eine sich stetig wiederholende Melodie oder ein Rhythmus, zunächst immer mit lateinischem Text. Dazu wurden oft in der Oberstimme Soli in einer oder mehreren Sprachen gestellt. Zu Klassikern wurden Titel wie „Laudate omnes gentes“, „Ubi caritas“, „Nada te turbe“ oder „Bleibet hier und wachet mit mir“.

Unter dem Strich – und trotz der Skepsis von Initiator Frere Roger – wurde das „Konzil der Jugend“ zu einem Meilenstein der Jugendbewegung. Unzählige private Sozial- und Kirchenprojekte entstanden daraus. Die ökumenische Gemeinschaft von Taize wandte sich in den Folgejahren zunehmend nach außen, etwa durch Besuche in Staaten des damaligen Ostblocks und in Entwicklungsländern. Das „Konzil der Jugend“ ging 1979 in einen sogenannten Pilgerweg des Vertrauens über. Dessen wichtige Bestandteile sind regelmäßige Jugendtreffen in allen Teilen der Welt sowie das jährliche Jugendtreffen über Silvester in einer europäischen Großstadt. Dabei stehen gemeinsames Gebet, Gesang und internationaler und interreligiöser Austausch im Mittelpunkt.

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