Kurienkardinal: Katholische Kirche künftig keine Pyramide mehr
Vatikanstadt ‐ In sechs Wochen beginnt in Rom die finale Phase der Weltsynode. Papst, Bischöfe, Priester und Laien beraten über neue Wege für kirchliche Debatten und Beschlüsse. Kurienkardinal Tolentino sieht darin eine epochale Veränderung.
Aktualisiert: 20.08.2024
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Der portugiesische Kurienkardinal Jose Tolentino de Mendonca sieht die Einführung synodaler Beratungen in der katholischen Kirche als zukunftsweisende Veränderung an. In einem am Montag verbreiteten Interview der argentinischen Tageszeitung „La Nacion“ sagte der Kardinal: „Die Frage der Synodalität wird die Zukunft der Kirche prägen.“ Papst Franziskus habe „eine große Vision“ gehabt, als er entschied, zu diesem Thema eine Weltsynode einzuberufen.
Um zu wachsen, müsse die Kirche alle Getauften am innerkirchlichen Dialog beteiligen. Es gehe darum, die Kirche nicht mehr als eine Pyramide zu sehen, sondern als einen lebendigen Organismus. Die Weltsynode werde dazu beitragen, das klar zu erkennen, und es werde weitreichende Konsequenzen für die Zukunft haben.
Zu den aktuellen innerkirchlichen Konflikten bemerkte der Kardinal: „Wir alle spüren das Leiden, die Fragen, die Dramen. Niemand kann da gleichgültig bleiben. Ich fühle mich in dieser Zeit der Kirche als Erfüllungsgehilfe der Vision von Papst Franziskus.“ Zur aktuellen Kirchenkrise sagte Mendonca: „Ich sehe diese Zeit nicht pessimistisch, sondern mit Hoffnung, weil ich viele Männer und Frauen sehe, die bereit sind, der Kirche ein zweite Chance zu geben.“
Auf die Frage nach der größten derzeitigen Herausforderung für die Kirche antwortete Mendonca: „Das ist die Übersetzung der christlichen Erfahrung in die Sprache unserer Zeit. Diese Erfahrung kann nicht festgekettet bleiben in einer Sprache, die wir aus der Vergangenheit geerbt habe.“ Der missionarische Traum, alle zu erreichen, sei die große Herausforderung, von der Papst Franziskus spreche.
Zu seinem persönlichen Verhältnis zu Franziskus bemerkte Mendonca, der Papst lasse ihm viel Freiheit, darunter auch die Freiheit, weiterhin Gedichte zu schreiben. Dies sei Teil seiner Berufung. An Franziskus bewundere er dessen Intelligenz. „Wenn er antwortet, tut er das mit Intelligenz und Tiefgang. Und oft entwickelt er Fragen in überraschender Weise weiter. Das fasziniert mich und ich will das lernen.“
Der von der Insel Madeira stammende Kardinal Mendonca (58) leitet im Vatikan seit 2022 das Dikasterium für Kultur und Bildung. Der dem Dominikanerorden eng verbundene Geistliche hat zahlreiche Bücher, darunter auch Gedichtbände, geschrieben und in Portugal und Italien mehrere Literaturpreise gewonnen.
KNA