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Trotz Protesten gegen Korruption im Bergbau

Panama: Verurteilter Ex-Präsident führt die Wahlumfragen an

Essen ‐ Am 5. Mai ist in Panama Superwahltag: Für alle staatlichen Ebenen werden neue Repräsentanten gewählt. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahl zeigt sich das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat ernüchtert.

Erstellt: 03.05.2024
Aktualisiert: 30.04.2024
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Präsident, Parlament, Bürgermeister und Ortsvorsteher, Gemeinderäte, Zentralamerikanisches Parlament: Der kommende Wahltag im zentralamerikanischen Panama könnte ein großes Fest der Demokratie werden. Doch Inés Klissenbauer, Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat zeigt sich ernüchtert. „Massenproteste gegen Korruption im Bergbau und ein wegen Korruption zu zehn Jahren Haft verurteilter Ex-Präsident, der die Umfragen und den Wahlkampf beherrscht. – Die Lage vor den Wahlen am 5. Mai in Panama könnte nicht widersprüchlicher sein“, erklärt sie.

Kein Präsidentschaftskandidat, so Klissenbauer, biete eine Antwort auf die größer werdenden Probleme im Land und die zunehmende Verarmung. Die drastischen Corona-Maßnahmen hätten das Land hochverschuldet und zudem die Korruption weiterbefördert. Die Arbeitslosigkeit sei enorm hoch, die Kosten für Wohnung, Wasser, Gesundheit und Bildung explodierten. Zudem belasteten die Folgen des Klimawandels und der Umweltzerstörungen das mittelamerikanische Land.

Diese Lage hatte im Oktober 2023 zu wochenlangen, in diesem Ausmaß bislang nicht gekannten Protesten geführt. „Der Jubel der Menschen war groß, als daraufhin das Oberste Gericht die Konzession für die größte Kupfermine der Tochter der kanadischen Bergbaufirma First Quantum Minerals für verfassungswidrig erklärte und die noch amtierende Regierung die Schließung der Mine zugesagt“, berichtet die Mittelamerika-Expertin. „Diese heftigen Proteste zeigen, dass die Bevölkerung die Nase voll hat von der Korruption und Verarmung, vom extraktivistischen Wirtschaftssystem und der Umweltzerstörung – aber vor allem von Politikern, die in der Mehrheit den Bergbau ohne Rücksicht auf die Folgen fördern, und von denen zu befürchten ist, dass sie die gestoppte Bergbaukonzession neu verhandeln und wieder aufnehmen werden.“ Die Menschen hätten dennoch Hoffnung geschöpft und gemerkt, dass sie durch Widerstand etwas bewirken können.

Jeder Fünfte lebt in Armut

Skeptisch stimmen Partner von Adveniat die Umfragen in Bezug auf das Präsidentenamt. Dort führt derzeit die Partei von Ricardo Martinelli, der von 2009 bis 2014 Staatspräsident war. Weil er wegen Korruption und Geldwäsche zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt wurde, darf er zu den Wahlen eigentlich nicht mehr antreten. Adveniat-Partner Padre Marco Tulio Gómez beobachtet vor Ort: „Vor der Wahl übertreffen die Befürchtungen die Hoffnungen in einer Bevölkerung, die in den vergangenen 30 Jahren abwechselnd von denselben korrupten Parteien regiert wurde.“ Die Menschen seien frustriert und des Systems überdrüssig.

Nach den letzten verfügbaren offiziellen Zahlen lebte 2019 jeder fünfte der insgesamt 4,2 Millionen Panameños in Armut, jeder Zehnte in extremer Armut. Dieses Zahlen haben sich infolge der Covid-Pandemie weiter erhöht. Während sich der Reichtum in der Hand weniger in der Hauptstadt Panama konzentriert, leben Padre Gomez zufolge 85 Prozent der Indigenen Panamas in Armut.

Der Jesuit Gomez leitet die Organisation „Fe y Alegria“ („Glaube und Freude“), eine der wenigen nichtstaatlichen Einrichtungen in dem mittelamerikanischen Land, die sich neben ihrer Bildungsarbeit auch um Flüchtende und Einwanderer kümmert. Seit Jahren gehört die Migration aus Lateinamerika und der Karibik in Richtung USA zu einer der größten Herausforderungen des Landes.

Auch Deutschland in der Pflicht

2023 sind mehr als eine halbe Million Menschen zu Fuß durch den lebensgefährlichen Darién-Dschungel von Kolumbien nach Panama geflüchtet. Viele schafften die Weiterreise nicht, sodass schon heute über 500.000 Migrantinnen und Migranten unter prekärsten Bedingungen im Land leben. Für Pater Gomez ein Unding. „Keiner der Präsidentschaftskandidaten hat einen Vorschlag für eine Reform der Migrationspolitik“, kritisiert er. Die öffentlichen Äußerungen reichten von Ignoranz bis zu offener Fremdenfeindlichkeit. Migration werde weiterhin allein als Frage der Sicherheit betrachtet. Menschen, die lebend aus dem Darién kommen, würden vom Militär in Lagern festgesetzt und anschließend in Bussen an die Grenze zu Costa Rica gekarrt.

Weltweit bekannt ist Panama für seinen Kanal, die bedeutendste Schiffsverbindung zwischen Pazifik und Atlantik. Um mit dem Wachstum des Welthandels Schritt zu halten, müsste der eigentlich vergrößert werden. Doch auch hier tun sich Probleme auf. Die Erweiterung des Bauwerks und die dafür notwendige Umleitung von ganzen Flüssen, bedrohe nun das Leben von hunderten Arten, unter ihnen den Menschen, warnt Padre Gomez.

Für die Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Inés Klissenbauer, ist hier wie auch beim ungebremsten Rohstoffabbau durch multinationale Konzerne für den Welthandel Deutschland in der Pflicht. Als eine der führenden Wirtschaftsnationen müsse sich Deutschland dafür einsetzen, dass die wirtschaftlichen Belange nicht über das Leben von Pflanzen, Tieren und Menschen gestellt werden. Insbesondere die indigenen Völker würden ihrer Lebensgrundlagen beraubt.

weltkirche.de mit Information von Adveniat

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