Mittelamerika: Mehr Menschen flüchten über die Darien-Landbrücke
Bonn/Panama-Stadt ‐ Die Panamericana-Fernstraßen führen von Feuerland bis nach Alaska. Unterbrochen sind sie nur auf der Darien-Landbrücke zwischen Kolumbien und Panama. Sumpfgebiete, Regenwälder und Berge bilden dort eine natürliche Barriere für Krankheiten wie die Maul- und Klauenseuche – sind aber gleichzeitig ein gefährliches Hindernis für Menschen auf der Flucht nach Nordamerika.
Aktualisiert: 14.10.2022
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In Turbo, Apartadó, Necoclí und anderen Ortschaften am nordostkolumbianischen Golf von Urabá hinterlassen die weltweiten Konfliktherde regelmäßig ihre Spuren. Ob wegen des wirtschaftlichen und politischen Abstiegs Venezuelas, der Sicherheits- und Armutslage in Haiti oder diverser Konflikte in Afrika und Asien: Menschen aus vielerlei Ländern versuchen, von Kolumbien aus durch den Nationalpark Darién nach Panama zu gelangen, meist in der Hoffnung, irgendwann die USA zu erreichen. Am Rande grenznaher Städte haben sich im vergangenen Jahrzehnt neue Hüttenviertel gebildet, in denen häufig tausende Menschen unter prekären Verhältnissen leben und versuchen, ihren Weg nach Panama zu planen oder etwas Geld für die Reise zu verdienen.
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Das ist nicht einfach, denn auch schon vor den aktuellen Fluchtwellen waren die Chancen auf eine gut bezahlte Arbeit nicht hoch. Wer etwas mehr Geld angespart oder mitgebracht hat, versucht den Grenzübertritt auf dem Seeweg oder bezahlt viel Geld für Menschenschmuggler. Doch die meisten können sich nur die Möglichkeit der gefährlichen Reise zu Fuß über die auch als „Tapón“ oder „Darién-Gap“ bekannte Landbrücke leisten.
Eigentlich ist der Darién ein Tourismus-Hotspot. Reisende aus aller Welt reisen in die Grenzregion, um süwestlich der Landbrücke Wale zu beobachten oder im Nordosten Karibik-Flair und die tropische Natur in einer der regenreichsten Regionen der Erde zu erleben. Nationalparks sollen bei der Bewahrung helfen.
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Unwegsame Sümpfe, Erschöpfung und Gewalt
Diese landschaftliche Schönheit kontrastiert mit dem schwierigen Schicksal der Menschen, die den Darién durchdringen müssen. Viele überleben es nicht oder kehren um. Auf dem Weg drohen Tropenkrankheiten und Erschöpfung; das Labyrinth von Sümpfen und Wasserläufen ist ohne Ortskenntnis kaum zu durchdringen. Lokale Medien berichten häufig von Überfällen auf der Strecke, wobei Kriminelle dabei vor brutaler Gewalt nicht zurückschrecken. Auch Guerrillas und Drogenkartelle nutzen die Route für ihren Handel mit Menschen, Waffen und Drogen. Manchmal begegnet man auch Polizei und Militär. Diejenigen, die es über die Landbrücke schaffen, erzählen grausige Geschichten von Hunger, körperlichen Strapazen, Vergewaltigungen und anderen Formen von Gewalt.
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Dennoch steigt die Zahl derjenigen, die den Grenzübertritt wagen, weiter an. Allein im September 2022 registrierte die panamaische Migrationsbehörde im Darién 48.204 irreguläre Grenzübertritte, wobei die Dunkelziffer weit höher liegen dürfte. Im ganzen Jahr waren es bislang 151.582 Menschen, die meisten davon aus Venezuela (107.692), Haiti (8.631), Ecuador (6.698) und Cuba (4.332). Doch auch zahlreiche Menschen aus Indien (1.921), dem Senegal (1.903), China (659) oder Usbekistan (406) wurden registriert.
Weiterziehen oder bleiben?
Gleichzeitig steigt auch die Anzahl derjenigen, die entscheiden, den Grenzübertritt nicht zu wagen. Die Sozialpastoral des Bistums Apartadó leistet daher seit einigen Jahren nicht nur humanitäre Hilfe für Flüchtende, sondern verhilft auch jenen Menschen zu Chancen, die beschließen, in der Region zu bleiben. Integrationskurse und Programme zur beruflichen Qualifizierung helfen, das Leid zu lindern – und ermöglichen Alternativen zu informellen oder sogar illegalen Tätigkeiten.
Doch viele sehen darin keine Option. Ihre Verzweiflung treibt sie weiter nach Norden, auch wenn sie dafür über die Darién-Landbrücke müssen. Mit viel Glück kommen sie dann bei der Ortschaft Yaviza in Panama wieder auf die Panamericana-Fernstraße um weiterzureisen – zumindest bis zur nächsten Grenze.