Weiße Flagge vor weißem Hintergrund
Papst sorgt für Aufregung / Schutzzeichen des Kriegsvölkerrechts

Weiße Flagge: Zeichen der Kapitualition oder Verhandlungssignal?

Bonn  ‐ Der Papst fordert die Ukraine zur Kapitulation auf? So hat Franziskus das wohl nicht gemeint. Aber sein Bild von der Weißen Flagge sorgt weltweit für Empörung.

Erstellt: 12.03.2024
Aktualisiert: 12.03.2024
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Von Christoph Arens (KNA)

Ein Betttuch, ein Kopfkissenbezug, ein Unterhemd: Wer sich Fotos deutscher Dörfer und Städte zum Kriegsende 1945 anschaut, wird viele solcher weißen Stoffe an Fenstern und Hauseingängen sehen.

Weiße Fahnen – sie waren das Signal der deutschen Bevölkerung, dass niemand in den zerstörten Gebäuden und Ruinen saß, der noch gegen die einmarschierenden alliierten Truppen kämpfen wollte. Ein Signal der Unterwerfung und der Sehnsucht nach einem Ende der Kämpfe. Was folgte, war die bedingungslose Kapitulation von Nazi-Deutschland.

Jetzt hat auch Papst Franziskus das Bild der „Weißen Fahne“ gebraucht und damit weltweit – je nach politischer Meinung – für Entrüstung oder Zustimmung gesorgt. Die Ukraine sollte den Mut haben, eine „Weiße Fahne“ zu hissen und ein Ende des Krieges mit Russland auszuhandeln, so Franziskus in einem bereits Anfang Februar aufgezeichneten Interview mit dem Schweizer Rundfunksender RSI, das am 20. März ausgestrahlt werden soll, in Auszügen aber jetzt vorab veröffentlicht wurde.

Kapitulations- oder Verhandlungsgeste?

Fordert der Papst die Ukraine zur Kapitulation auf, oder wollte er doch nur zu Verhandlungen ermutigen? „Verhandeln ist niemals ein Sich-Ergeben. Es ist der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu führen“, erläuterte Franziskus seine Gedanken. Auch Vatikansprecher Matteo Bruni erklärte später, der Papst habe „vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben“ wollen.

Alles nur ein Missverständnis also? In der Tat ist das Symbol der Weißen Flagge nicht eindeutig. Klar ist, dass die sogenannte „Parlamentärflagge“ ein Schutzzeichen des Völkerkriegsrechts ist. In der Haager Landkriegsordnung von 1899 heißt es in Artikel 32: „Als Parlamentär gilt, wer von einem der Kriegführenden bevollmächtigt ist, mit dem anderen in Unterhandlungen zu treten, und sich mit der weißen Fahne zeigt. Er hat Anspruch auf Unverletzlichkeit, ebenso der ihn begleitende Trompeter, Hornist oder Trommler, Fahnenträger und Dolmetscher.“

Es geht also zunächst um ein Signal für Verhandlungen – wobei relativ klar ist, dass eher der Schwächere und derjenige, der kapitulieren will, die weiße Flagge hisst. In Lexika heißt es deshalb, die Kapitulation sei „die Erklärung eines militärischen Befehlshabers an den Gegner, keinen Widerstand mehr leisten zu wollen (z. B. die Kapitulation einer Festung, einer Armee, eines Kriegsschiffs). Die durch Unterhändler oder durch Zeichen (weiße Fahne an Gebäuden, Streichen der Flagge bei Schiffen) kenntlich gemachte Absicht begründet für den Gegner die Verpflichtung zur Einstellung der Kampfhandlungen (vgl. z. B. Haager Landkriegsordnung Art. 32)“.

In diesem Sinn wurde die Weiße Fahne auch schon seit Jahrhunderten verstanden: Als Zeichen der Kapitulation wurde sie bereits im China der Östlichen Han-Dynastie (25-220 n. Chr.) eingesetzt. Auch der römische Geschichtsschreiber Publius Cornelius Tacitus berichtet gegen 109 n. Chr. vom Einsatz einer weißen Flagge bei der Kapitulation römischer Legionäre. Dass die Farbe Weiß dafür verwendet wurde, hat einen ganz einfachen Grund: Das Färben von Stoffen war lange ein recht aufwendiger Prozess. Eine weiße Fahne hob sich zudem von den bunten Bannern der verschiedenen Kampfparteien auf dem Schlachtfeld ab.

Für den Kölner Medienexperten und Politikberater Erik Flügge ist Papst Franziskus in seinem Interview in eine sprachliche Falle getappt. „Das Problem mit dem Interview des Papstes ist, dass er mit der ‚Weißen Fahne' ein kulturell stark aufgeladenes Bild anwendet“, sagte Flügge dem Kölner Portal domradio.de. „Die ‚Weiße Fahne‘ ist die Fahne der Kapitulation. Das Bild ist Jahrhunderte alt. Dahinter verblassen alle einschränkenden Dinge, die er sagt.“

Großerzbischof Schewtschuk: Die Ukraine wird sich nicht ergeben

Kiews griechisch-katholischer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk lehnte eine Kapitulation der Ukraine kategorisch ab. Er erklärte am Samstag (Ortszeit) in New York nach Angaben seiner Kirche, die Ukraine sei verwundet, aber unbesiegt. Sie werde wieder aufstehen. Unter Berufung auf das ukrainische Volk betonte Schewtschuk: „Glauben Sie mir, niemand denkt ans Aufgeben.“

Wenn Russland die Ukraine weiter erobere, vergrößere sich die Todeszone, so das Oberhaupt der mit Rom verbundenen ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. Der Geistliche erinnerte an das Massaker an ukrainischen Zivilisten in dem Ort Butscha bei Kiew 2022.

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