Lob und Kritik für EU-Lieferketten-Kompromiss
Berlin/Bonn ‐ Bis in die Nacht tagten in Brüssel Unterhändler von EU-Parlament, -Kommission und -Rat über das geplante Lieferkettengesetz. Nun liegt ein Kompromiss vor, der nach Ansicht von Hilfswerken viel Gutes enthält – aber auch Lücken aufweist.
Aktualisiert: 18.12.2023
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Die EU soll ein eigenes Lieferkettengesetz bekommen. In der Nacht zu Donnerstag einigten sich Europa-Parlament, EU-Kommission und EU-Rat auf einen Kompromiss. Menschenrechtler und Hilfswerke sehen durch den Vorschlag wichtige Weichen gestellt, monieren jedoch fehlende Aspekte zum Klimaschutz sowie zu viele Freiheiten für den Finanzsektor. Auch Forscherinnen und Forscher sehen hier Bedarf für eine Nachrüstung des Gesetzes.
Der Beschluss sieht etwa vor, dass große Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Produktions- und Lieferketten zur Kinder- oder Zwangsarbeit kommt. Zudem müssen die Unternehmen sich dazu verpflichten, ihre Wertschöpfungskette bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Der Europäische Rat als Gremium der EU-Staats- und Regierungschefs muss dem Kompromiss nun zustimmen.
Die Initiative Lieferkettengesetz bezeichnete die Einigung am Donnerstag als einen „Meilenstein für den Schutz von Menschen und Umwelt in den globalen Lieferketten“. Kritisch sei jedoch zu sehen, dass der Finanzsektor im Gesetz ausgespart werde. „Banken und Investoren müssen bei der Vergabe von Krediten und Investitionen verpflichtet werden, Menschenrechte, Umwelt und Klima zu achten“, erklärte die Koordinatorin der Initiative, Johanna Kusch.
Zur Initiative Lieferkettengesetz gehört auch das kirchliche Hilfswerk Misereor. Dessen Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel bezeichnete das EU-Lieferkettengesetz trotz seiner Schwächen als elementaren Baustein einer fairen und nachhaltigen Globalisierung. „Europäische Unternehmen werden gesetzlich verpflichtet, der Zerstörung von Umwelt und Lebensgrundlagen, Kinderarbeit und Hungerlöhnen in ihren Lieferketten wirksam vorzubeugen.“
Ähnlich äußerten sich auch die deutschen katholischen Bischöfe. „Mit dem EU-Lieferkettengesetz kann die EU ein starkes Signal für Menschenrechte und Nachhaltigkeit in der globalen Wirtschaft setzen“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung des Freiburger Erzbischofs Stephan Burger, des Berliner Erzbischofs Heiner Koch, des Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer und des Augsburger Bischofs Bertram Meier. Besonders würdigten sie, „dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen nun endlich eine reale Chance erhalten, auch vor Zivilgerichten in der EU Schadenersatz einzuklagen, wenn europäische Unternehmen zu diesem Schaden beigetragen haben“.
Auch Forscherinnen und Forscher machten auf die Lücken aufmerksam. Der Dresdner Wirtschaftswissenschaftler Markus Scholz bezeichnete die Ausklammerung der Finanzunternehmen als Fehler. „Hier wird eine Industrie geschont, die mittelbar erheblichen Einfluss auf den Schutz von Umwelt und Menschenrechten nehmen kann.“ Aus Sicht der Umwelt-Ökonomin Clara Brandi hätte das Gesetz im Klimaschutz ehrgeiziger ausfallen können. „Wichtig für die Zukunft ist, dass die Effekte des EU-Lieferkettengesetzes sorgfältig analysiert werden. Dazu gehören auch nichtintendierte negative Auswirkungen in Entwicklungsländern“, so die Forscherin.