Venezuela und Nicaragua greifen gegen missliebige Helfer durch

Rotes Kreuz im Visier lateinamerikanischer Diktaturen

Caracas/Managua  ‐ Die autokratischen Links-Regierungen in Caracas und Managua versuchen, die Strukturen der Rot-Kreuz-Organisationen ihrer Länder zu übernehmen. Als Vorwand dienen eher fadenscheinige Anschuldigungen.

Erstellt: 16.08.2023
Aktualisiert: 28.08.2023
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Der frühere Präsident des venezolanischen Roten Kreuzes, Mario Villarroel, ist fassungslos: Er weise „die illegale Intervention, der unsere Institution zum Opfer gefallen ist, kategorisch zurück“. Sie beruhe auf falschen Anschuldigungen. Villarroel war eine Woche zuvor auf Anordnung des Obersten Gerichts seines Amtes enthoben worden. Die internen Klärungsmechanismen der Hilfsorganisation seien dabei umgangen worden. Die Vorwürfe der Justiz seien falsch.

Die öffentliche Erklärung kommt zwei Wochen nach Beginn einer staatsanwaltlichen Untersuchung wegen „Belästigung und Misshandlung“ von Freiwilligen und Mitarbeitern des nationalen Roten Kreuzes. Daraufhin griff das Oberste Gericht ein - und ernannte einen „Ad hoc“-Vorstand, um eine Umstrukturierung in die Wege zu leiten.

Die in den Umfragen führende Oppositionspolitikerin Maria Corina Machado kritisierte das Vorgehen gegen das Rote Kreuz. Sie sieht ein „Muster der Verfolgung von Nichtregierungsorganisationen in Venezuela“. Die Strategie ziele darauf ab, unter dem Deckmantel falscher Vorwürfe jeden Raum für Autonomie und Freiheit abzuschaffen.

Venezuela leidet bereits seit Jahren unter einer schweren Versorgung- und Wirtschaftskrise. Wegen der unsicheren politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie staatlicher Repression haben inzwischen rund sieben Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Das UN-Menschenrechtskommissariat berichtete über schwere Menschenrechtsverletzungen der Regierung von Präsident Nicolas Maduro wie außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Unterdrückung der Opposition. Und der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt gegen die Maduro-Regierung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Regime indes weist all das als politische Kampagne zurück.

Auch in Nicaragua gerät das Rote Kreuz zunehmend unter Druck. Im Mai ordnete die sandinistische Ortega-Regierung die Auflösung des nationalen Zweigs der internationalen Organisation an. Sie war seit 1931 im Land tätig, als die Hauptstadt Managua von einem Erdbeben erschüttert und anschließend von einem Feuer verwüstet wurde. Nun entzog ihr ein Gesetzentwurf der Sandinisten nicht nur das rechtliche Fundament, sondern übertrug auch das gesamte Vermögen auf das Gesundheitsministerium.

Laut Regierungsangaben soll das Rote Kreuz eigene Grundprinzipien verletzt haben, zu denen Menschlichkeit, Überparteilichkeit und Neutralität zählen. Das Regime in Nicaragua wirft den Helfern konkret vor, an Protesten gegen Machthaber Daniel Ortega beteiligt gewesen zu sein. Tatsächlich halfen Rot-Kreuz-Mitarbeiter mit, die Tausenden Verwundeten bei der Niederschlagung der Proteste 2018 zu versorgen.

Das Vorgehen gegen das Rote Kreuz in Nicaragua folgt - ebenso wie in Venezuela - einer Systematik: Kirche, Menschenrechtler und unabhängige Medien kritisierten in den vergangenen Jahren immer wieder in scharfer Form die Menschenrechtsverletzungen des Regimes. Inzwischen sind Hunderte Nichtregierungsorganisationen in dem mittelamerikanischen Land verboten.

Von Tobias Käufer (KNA)

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