Wenn der Kardinal Gott um Regen bittet
Montevideo ‐ In Uruguays Hauptstadt Montevideo wird das Trinkwasser dramatisch knapp. Die Kirche ruft zu Gebeten auf; nicht nur die Regierung hofft verzweifelt auf Niederschlag.
Aktualisiert: 27.06.2023
Lesedauer:
„Es bleibt nur noch für zehn Tage Wasser“, berichtet die Zeitung „El Observador“ am Dienstagmorgen. Der Stausee Paso Severino, der die Hauptstadt Montevideo mit Trinkwasser versorgt, ist zu einem kümmerlichen Rest zusammengeschmolzen. Wo einst Millionen Hektorliter Wasser die Versorgung der 1,4 Millionen Menschen in Uruguays Metropole sicherstellten, beträgt der Vorrat derzeit nur noch erschreckende drei Prozent.
Grund ist eine historische Dürre; laut dem staatlichen Institut für Meteorologie und Klima (Inumet) die schlimmste seit 115 Jahren. Vize-Umweltminister Gerardo Armadilla, der sich in dieser Woche ein Bild vor Ort machte, erklärte: „Wir hoffen, dass der Regen, wenn er auch nur gering sein wird, wenigstens hilft, den aktuellen Stand zu halten.“
Für den Wochenbeginn hatte Inumet teils heftige Regenfälle angekündigt; doch die ziehen alle nördlich des Einzugsgebietes rund um den Rio Santa Lucia vorbei. Vielleicht, so die Hoffnung der Verantwortlichen, gelangt ja doch ein bisschen davon in den Stausee nördlich von Montevideo. Von fünf Millimeter pro Quadratmeter ist die Rede; die könnten wieder ein oder zwei Tage Entspannung bringen. Es ist ein Hangeln von Schauer zu Schauer.
Kirche betet um Regen
Die Kirche in Montevideo lässt inzwischen am Ende jedes Gottesdienstes um Regenfälle beten. Die Stoßgebete „Wir bitten dich, gib uns den Regen, den wir brauchen“ gehen auf Initiative von Kardinal Daniel Sturla zurück, Erzbischof der Millionenstadt. Nicht wenige Menschen zünden anschließend Kerzen an.
Warum es überhaupt so weit kommen konnte, darüber streitet nun die Politik. Die linke Opposition um den traditionell starke „Frente Amplio“ wirft der Regierung des konservativen Präsidenten Luis Lacalle Pou Versagen beim Krisenmanagement vor. Allerdings haben es in den vergangenen Jahrzehnten linke wie auch rechte Regierungen versäumt, das Problem frühzeitig anzupacken.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Zudem: Die aktuelle Situation ist auch ein absoluter Ausnahmefall. Inumet erklärt die lang anhaltende Dürre mit dem Wetterphänomen „La Nina“ und der natürlichen Variabilität der Atmosphäre. Diese Faktoren führten dazu, dass es in den vergangenen Jahren in Brasilien viel zu viel und in Argentinien und Uruguay viel zu wenig regnete. Im Stausee Paso Severino ist das dramatische Ergebnis dieser Entwicklung zu sehen: ein weithin ausgetrocknetes Becken.
Politik sucht verzweifelt nach Lösungen
Die Politik reagiert mit einer Steuersenkung auf Trinkwasser; die Menschen decken sich verstärkt mit den großen Sechs-Liter-Trinkwasserkanistern ein. Der Inhalt stammt aus dem Rest des Landes, wo es keine Probleme mit der Wasserversorgung gibt. Autowaschanlagen verweisen darauf, eigene Brunnen zu haben.
Der wegen mangelnder Investitionen in die Kritik geratene Versorger OSE mischt das letzte Restwasser aus dem Stausee mit dem Wasser des großen Rio de la Plata, an dessen Ufern Montevideo und Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires auf der südlichen Gegenseite liegen. Doch dadurch erhöht sich der Chlor- und Salzgehalt des Wassers. Den Antrag des Versorgers, den Salzgehalt noch weiter zu erhöhen, lehnte das Gesundheitsministerium laut „El Observador“ (Dienstag) ab.
Nun tickt die Uhr: Anfang Juli gibt es noch einmal die Chance auf ein bisschen Regen, heißt es aus Kreisen der Meteorologen. Die Wetteraussichten und die aktuellen Salzstände sind inzwischen die meistgesuchten Nachrichten. Die Titelseiten an den Kiosken in Montevideo beschäftigten sich ausführlich mit dem Thema Wasser.
Mit Hochdruck sucht die Politik nach kurzfristigen Lösungen. Saltos Bürgermeister Andres Lima sagte der Zeitung „El Pais“, seine Kommune biete das Wasser aus den lokalen Thermalbrunnen an. Angesichts der zugespitzten Lage ist davon auszugehen, dass das Wasser-Thema auch den Wahlkampf im kommenden Jahr bestimmen wird. Jüngste Umfragen sehen derzeit die linke Partei „Frente Amplio“ vorn.
KNA