Luise Amtsberg MdB, Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe (B90/Grüne)
Vergessene Krise

Menschenrechtsbeauftragte: Libanon kollabiert vor unseren Augen

München ‐ Die humanitäre Lage im Libanon verschlechtert sich und eine politische Krise verhindert Veränderungen. Über 70% der Bevölkerung leben in Ernährungsunsicherheit, berichtet Luise Amtsberg, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung.

Erstellt: 03.05.2023
Aktualisiert: 03.05.2023
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Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), wirbt um Unterstützung für den Libanon. „Das Land steht am Rand eines Kollapses, man kann sogar sagen, es kollabiert vor unseren Augen“, sagte Amtsberg dem „Missio Magazin“, der Zeitschrift des internationalen katholischen Hilfswerk Missio München. So gebe es dort eine „extreme Misswirtschaft und staatliche Korruption“. Die Währung – das Libanesische Pfund – habe in kürzester Zeit 95 Prozent ihres Wertes verloren. Die Menschen hätten keinen Zugang mehr zu Erspartem. Stromausfälle dominierten den Alltag.

Weiter wies Amtsberg darauf hin, dass über 70 Prozent der Menschen im Libanon in Ernährungsunsicherheit lebten. Auch die medizinische Versorgung sei mehr als mangelhaft, Richter streikten, seit Beginn des Jahres seien die staatlichen Schulen geschlossen. Seit November 2022 regiere außerdem die alte Regierung im Übergang, weil es dem neuen Parlament nicht gelinge, sich auf einen neuen Präsidenten zu einigen. Dass es weiter keine ernstzunehmende Aufklärung hinsichtlich der Hafen-Explosion von 2020 in Beirut gebe, die die Stadt massiv traumatisiert habe, führe zu noch mehr Unzufriedenheit, so die Politikerin.

Durch die Aufnahme syrischer Geflüchteter sei die Bevölkerung im Libanon um fast ein Viertel größer geworden. Das stelle das Land vor eine enorme Herausforderung. Zur Wahrheit gehöre dazu, dass der Libanon erst dann wirksam unterstützt worden sei, als sich immer mehr syrische Geflüchtete aufgrund der mangelhaften Versorgungslage auf den Weg nach Europa gemacht hätten. Deutschland helfe den Menschen im Libanon vor allem durch humanitäre Organisationen.

Golfstaaten ziehen humanitäre Hilfe ab

Gerade bei Krisen, die nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit stünden, sei es sehr wichtig, eine verlässliche Finanzierung zu erreichen, erklärte die Menschenrechtsbeauftragte. Beim Libanon komme ein weiterer Umstand erschwerend dazu: „Die Golfstaaten, die sehr aktiv waren, vor allem Saudi-Arabien, ziehen ihre humanitäre Hilfe aufgrund der Misswirtschaft zunehmend ab.“ Amtsberg empfiehlt daher, in den Dialog mit den Golfstaaten zu treten und zu versuchen, diese wieder an Bord zu holen. Außerdem müssten die vielfältigen Krisen im Libanon auch auf die Agenda des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen.

Amtsberg ist Schirmherrin der Kampagne „Vergessene Krisen“. Rund 30 deutsche Hilfsorganisationen lenken gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt die Aufmerksamkeit auf vernachlässigte Krisenregionen der Welt. Zu den Beispielländern gehören Libanon, Südsudan und Bangladesch. Missio München beteiligt sich ebenfalls an dieser Aktion.

KNA

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