Kein Störfall, sondern Alltagsproblem
Unter dem Titel „Mut zur Transparenz III“ fand die dritte Tagung zur Korruptionbekämpfung in der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit statt.
Aktualisiert: 27.09.2022
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Vom 21. bis 23. Januar 2015 fand in der Evangelischen Akademie Bad Boll unter dem Titel „Mut zur Transparenz III“ die dritte Tagung zur Prävention und Bekämpfung von Korruption in der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit statt. Seit elf Jahren arbeitet eine Arbeitsgruppe von Transparency International Deutschland e. V. in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Bad Boll an diesem Thema.
In diesem Jahrzehnt sind große Fortschritte erreicht worden. War die Korruption 2004 noch ein Thema, über das im Zusammenhang der kirchlichen Arbeit nicht gesprochen werden durfte, weil es dies offiziell gar nicht gab, so zeichnet die großen kirchlichen Entwicklungswerke heute konfessionsübergreifend ein transparenter und lösungsorientierter Umgang mit den Herausforderungen der Korruption aus. „Korruption ist gerade in Hochrisikoländern kein Störfall, sondern ein Alltagsproblem von Hilfswerken“, stellte auf der Tagung Michael Hippler von Misereor fest. Die offene Wahrnehmung dieses Problems ist die Voraussetzung dafür, dass Korruptionsprävention und Integrität in der Entwicklungszusammenarbeit nachhaltig gestärkt werden können.
„Korruption ist gerade in Hochrisikoländern kein Störfall, sondern ein Alltagsproblem von Hilfswerken.“
Waren es zu Beginn einzelne mutige Mitarbeitende aus den Werken, die das Thema öffentlich machten und Gefahr liefen, dafür als Nestbeschmutzer verunglimpft zu werden, so ist die Korruptionsbekämpfung heute längst auf der Vorstandsebene angekommen. Auf der Tagung hat Gabriele Krug von Transparency International Deutschland die Vorstände und Aufsichtsgremien der Werke nachdrücklich in die Pflicht genommen: „Der Kampf gegen Korruption und ein Integritätsmainstreaming der Organisation sind wesentliche Aufgaben der strategischen Führungsebene.“
Das Risiko für das Ansehen von Organisationen, die anvertraute Spendengelder in der Kirche verwalten, ist so hoch, dass es sich kein kirchliches Hilfs- oder Missionswerk mehr leisten kann, diesem Bereich des Compliance Managements nicht besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Neue Haftungsregelungen im deutschen Vereins- und Stiftungsrecht sorgen darüber hinaus dafür, dass die Mitglieder der Geschäftsführung und Aufsichtsgremien in den kirchlichen Werken ein hohes Eigeninteresse haben, nicht für die Fahrlässigkeit im Umgang mit anvertrauten Spendengeldern haftbar gemacht zu werden. In diesem Zusammenhang kommen die Aufsichtsstrukturen der Werke neu in den Blick. Wenn in den Werken nicht ausreichend sachkundige Vertreter in den Aufsichtsgremien sitzen oder sich eine geringe Anzahl von Werken innerhalb einer Kirche nur gegenseitig beaufsichtigen, erscheint eine unabhängige Kontrolle nicht wirklich gewährleistet.
Prävention verschafft Glaubwürdigkeit
Der „Mut zur Transparenz“ lohnt sich, wie die Beispiele aus der Schweiz oder aus Norwegen zeigen. Weil die Transparenz hilft, Korruption vorzubeugen und die Schäden bei Eintreten eines Korruptionsfalls zu begrenzen. Die Erfahrung lehrt, dass es in solch einer Situation leichter ist, den Medien, Spendern und anderen Partnern zu vermitteln, was schief gelaufen ist, wenn man nachweisen kann, vorher die notwendigen Maßnahmen unternommen zu haben, um Korruption zu verhindern.
Eine besondere Rolle spielten auf der Tagung die Partnerschaftsbeziehungen der Kirchen und Werke. Auch bei den kirchlichen Hilfswerken gibt es langjährige Beziehungen zu festen Partnern. Dabei besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, die projektbezogene Zusammenarbeit zu beenden, wenn es zu Regelverstößen kommt. Diese Möglichkeit besteht bei jenen (Missions-) Werken nicht, bei denen die Kirchen im Süden gleichberechtigte Mitglieder des Werkes sind. Doch auch unterhalb der Ebene der Beendigung der Zusammenarbeit gibt es effektive Möglichkeiten zur Korruptionsbekämpfung. Ein wesentliches Element ist dabei die strukturelle Korruptionsprävention.
Dabei ist das unterschiedliche kulturelle Verständnis von Korruption nach wie vor ein wichtiges Thema. So gilt in manchen Kulturen die Versorgung von nahen Angehörigen oder das Austauschen von wertvollen Geschenken als soziale Verpflichtung, während dies in Deutschland als Regelverstoß wahrgenommen wird. Die Entwicklung einer gemeinsamen Kultur ist in diesem Zusammenhang eine zentrale Aufgabe. Denn Korruption ist kein Problem des Südens, sondern immer auch eine Anfrage an die Strukturen und Mechanismen im Norden, die diese ermöglichen oder verstärken. Gabriele Klug hat auf der Tagung festgestellt, „dass zur Bestechung mindestens zwei Seiten gehören und dass diese Partner sehr oft aus Deutschland oder anderen Industrieländern stammten“.
Neu ist die bewusste Wahrnehmung der Geschlechterrollen in der Korruptionsbekämpfung. In vielen Kirchen dominieren nach wie vor Männer die Entscheidungsgremien. Solche Seilschaften zu durchbrechen, indem wichtige Aufgaben an Frauen übertragen werden, ist eine wirksame Maßnahme in der Bekämpfung korrupter kirchlicher Strukturen.
Ein mühseliges Geschäft
Korruptionsbekämpfung ist ein mühseliges Geschäft, weil die kriminelle Energie in diesem Bereich die Kirchen und Werke vor immer neue Herausforderungen stellt. Deshalb gilt auch für die Zukunft die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Korruption mit ihren gravierenden Auswirkungen in der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit entschieden bekämpft wird.
Der Austausch mit Pater Klaus Mertes SJ, dem früheren Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin, hat den Blick bei der Tagung nicht zuletzt auf die persönliche Ebene der Korruptionsbekämpfung gelenkt. Mertes identifiziert Eitelkeit und Anmaßung als wichtige Ursachen für Machtmissbrauch. „Doch Anmaßungen sind Selbsttäuschungen.“ Der Austausch mit Pater Mertes machte auch deutlich, dass das Eintreten gegen Korruption immer noch mit Risiken verbunden ist. „Verräter“ werden abgestraft, auch wenn sie sich aus Gründen einer höheren Loyalität gegen Missstände in ihrer Organisation wenden. In vielen Teilen der Welt kann dies lebensgefährlich sein, aber auch in Deutschland ist das Aufdecken von Missständen in der eigenen Institution nach wie vor mit persönlichen Risiken verbunden. Umso wichtiger ist Mertes‘ Ermutigung an alle, die sich in der Kirche gegen Korruption oder Amtsmissbrauch engagieren: „Konflikte mit einzelnen Personen und Amtsträgern in der Kirche können die Basis der Zugehörigkeit nicht beschädigen.“
Unser besonderer Dank gilt Sonja Grolig und der Arbeitsgruppe „Kirchliche Entwicklungszusammenarbeit“ von Transparency International Deutschland e. V. sowie dem Moderator der Tagung, Michael Detscher, für die intensive und engagierte Zusammenarbeit in all den Jahren, ohne die dieser Prozess nicht möglich wäre.