Die Ware „Mensch“
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Menschenhandel

Die Ware „Mensch“

Menschenhandel gilt zu Recht als eines der abscheulichsten Verbrechen unserer Zeit – und es ist zugleich ein Milliardengeschäft. Die Europäische Union schätzt die Profite, die mit der „Ware Mensch“ gemacht werden, auf mehr als 46,9 Milliarden Euro pro Jahr. Und einer erst kürzlich vorgestellten Studie der EU-Kommission zufolge hat der Menschenhandel in der Europäischen Union in den letzten Jahren zugenommen – das dürfte im weltweiten Trend kaum anders aussehen.

Erstellt: 15.03.2018
Aktualisiert: 29.06.2023
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In der öffentlichen Diskussion wird der Begriff Menschenhandel gelegentlich mit Zwangsprostitution und Frauenhandel gleichgesetzt. So verständlich diese Wahrnehmung ist (schon wegen des eklatanten Ausmaßes der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Mädchen), die unter dem Begriff Menschenhandel subsumierten Phänomene sind vielgestaltiger und beziehen sich auf unterschiedliche Formen krimineller bzw. Gewalt ausübender Aktivitäten. So zählen außer der Zwangsprostitution und sexuellen Ausbeutung auch weitere Tatbestände wie zum Beispiel Zwangsverheiratung, Arbeitsausbeutung, Organhandel und illegale Adoptionen zu Phänomenen des Menschenhandels.

Definition des Menschenhandels

Für die Klärung des Begriffs Menschenhandel ist das am 15. November 2000 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene „Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität“ (Palermo-Konvention) maßgeblich geworden. Im Zusatzprotokoll zu dieser Konvention heißt es zum Begriff Menschenhandel: „Im Sinne dieses Protokolls bezeichnet der Ausdruck ‚Menschenhandel’ die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen“ (Palermo-Protokoll, Art. 3).

Grafische Darstellung des prozentualen Anteils von Erwachsenen und Kindern unter den erfassten Opfern von Menschenhandel aufgeteilt nach Regionen
Bild: © UNODC elaboration of national data

Anteil von Erwachsenen und Kindern unter den erfassten Opfern

Mehr Rechte und Schutz für die Opfer

Die komplexe Begriffs-Definition des Palermo-Protokolls ist völkerrechtlich verbindlich geworden und wurde in der Folgezeit ergänzt und fortentwickelt, so u. a. durch das „Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels“ vom 16. Mai 2005. Mit dem Übereinkommen des Europarates wurden insbesondere der Schutz und die Rechte der Opfer von Menschenhandel verstärkt. Es ist insgesamt als großer Fortschritt anzusehen, dass neben den zentralen Fragen der präventiven Verhinderung, Bekämpfung und Strafverfolgung von Menschenhandel die Frage des Status und des Umgangs mit den Menschenhandels-Opfern international stärker in den Blick genommen wurde. Auch die „EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels“, die 2011 verabschiedet wurde, zielt auf einen besseren Schutz der Opfer, sieht aber auch eine deutlich schärfere Verfolgung der Täter vor. Diese EU-Richtlinie sollte eigentlich bis April 2013 von allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, was bisher aber nur in sechs Staaten geschehen ist. In Deutschland wurde die Richtlinie mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes sowie des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 11. Oktober 2016 (MenHBVG), in Kraft getreten am 15. Oktober 2016, umgesetzt [1].

Grafische Darstellung von Prozentzahlen der erfassten Opfer von Menschenhandel für den Arbeitsmarkt aufgeteilt nach Geschlecht und Region
Bild: © UNODC elaboration of national data

Menschenhandel in Prozent

Organisierter Menschenhandel – ein Phänomen unserer Zeit

Menschenhandel ist ein Phänomen, das nicht zuletzt im Zuge der weltweiten Globalisierungstendenzen deutlich zugenommen hat. Die eigentlich begrüßenswerten internationalen Vernetzungen und der Wegfall bzw. die größere Durchlässigkeit von Grenzen haben Migrationsbewegungen in Gang gesetzt oder verstärkt, zu deren Schattenseite der organisierte Menschenhandel gehört. Dabei werden durch entsprechende kriminelle Strukturen vor allem Armutsverhältnisse und Notsituationen in den asiatischen Ländern, ebenso aber in Afrika, Lateinamerika und in den Transformationsstaaten des osteuropäischen Raums ausgenutzt.

Das tatsächliche Ausmaß der verschiedenen Formen des Menschenhandels lässt sich – sowohl international als auch bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland – nur schwierig durch konkrete Zahlen belegen, da die Dunkelziffern (jenseits der polizeilich ermittelten Tatbestände) nach Expertenschätzungen außerordentlich hoch sind. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) geht weltweit von rund 40 Millionen Opfern der Sklaverei aus (Stand 2017).

Die eingangs erwähnte, gelegentliche Gleichsetzung der Begriffe Menschen- und Frauenhandel hängt wohl auch damit zusammen, dass der geschätzte Anteil von Frauen und Mädchen an den Opfern des Menschenhandels bei rund 71 Prozent liegt. In mehr als 96 Prozent der Fälle fand die hier ausgeübte Gewalt an den weiblichen Opfern zum Zweck sexueller Ausbeutung statt.

[1] Bürger, Sebastian: Die Neuregelung des Menschenhandels. Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und Schaffung eines stimmigen Gesamtkonzepts? 2017, S. 169–181

Von Burkhard Haneke, Renovabis

Stand: März 2018