
Inkognito im Einsatz für indigene Goldschürfer
Menschenrechte ‐ Schwester Stella ist Ordensfrau und Menschenrechtlerin. Auf den Philippinen kämpft sie gegen Umweltzerstörung und für die Rechte indigener Goldschürfer. Und sie nimmt in Kauf, mit einem Gewehr an der Schläfe aufzuwachen. Am Donnerstag wird die Missio-Partnerin mit dem Weimarer Menschenrechtspreis ausgezeichnet.
Aktualisiert: 02.08.2022
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Ihr Leben hat sie Gott gewidmet - und dem Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen bei Goldgeschäften auf den Philippinen. Letzteres ist der Grund dafür, warum sie immer wieder um ihr Leben fürchten muss. Ersteres ihre persönliche Motivation, trotzdem weiterzumachen.
Seit 2008 prangert die Benediktinerin Stella Matutina die Verletzung von Menschenrechten bei den Geschäften im Zusammenhang mit den Goldvorkommen aus ihrer Heimat an. Umweltzerstörung, Ausbeutung durch ausländische Unternehmen und die Vertreibung einheimischer Goldschürfer-Familien – diese Ungerechtigkeiten will die 47-Jährige nicht hinnehmen. Für ihr Engagement wird Schwester Stella am Donnerstag mit dem Weimarer Menschenrechtspreis ausgezeichnet.
Internationale Bergbau-Unternehmen wittern Gewinne
Auslöser für ihren Einsatz war die verzweifelte Situation einer Goldschürfer-Familie. „Eine Frau aus San Isidro bat mich um Hilfe. Sie sagte, die Bulldozer eines Bergbauunternehmens seien in ihrem Dorf angekommen und seien dabei, die Berge zu zerstören“, berichtet Schwester Stella. Die Menschen in der Region leben seit Generationen von den bescheidenen Einkünften des Goldschürfens.
Doch seitdem internationale Unternehmen das Geschäft mit den wertvollen Bodenschätzen wittern – Experten schätzen den Wert der Mineralienvorkommen auf 600 bis 800 Milliarden Euro – hat sich die Situation dramatisch verändert. Mit einem rücksichtlosen Goldabbau zerstören große Bergbauunternehmen die Natur – und damit zugleich auch die Lebensgrundlage der Bevölkerung. Die Menschen, die hier seit jeher im Einklang mit der Natur lebten, werden aus ihrer Heimat vertrieben.
Menschenrechtler und Umweltschützer bangen um ihr Leben

Menschenrechtler, Umweltschützer, Journalisten – alle, die gegen dieses Vorgehen protestieren, seien massiven Einschüchterungen ausgesetzt, berichtet die Ordensfrau. So auch sie selbst. Sechs Jahre ist es her, dass sie plötzlich aus dem Schlaf aufschreckte. „Mitten in der Nacht stürmten Soldaten in meine Unterkunft und hielten mir einen Gewehrlauf an die Schläfe“, erzählt sie. „Sie trugen Gesichtsmasken und hatten nicht die üblichen Namenskennungen an ihren Uniformen. Ich hörte, wie einer von ihnen per Funk den Kommandeur fragte: Sollen wir sie hinrichten oder gefangen nehmen?“ Schwester Stella kam mit dem Leben davon. Doch Morddrohungen gehören seither zu ihrem Alltag.
Grund genug für die Weimarer Menschenrechtsjury, den Einsatz der katholischen Ordensfrau besonders hervorzuheben. „Stella Matutina setzt sich mit außergewöhnlichem Engagement für die Rechte der einheimischen Bevölkerung ein, obwohl sie deswegen selbst permanenter Bedrohung ausgesetzt ist“, sagt die Nachrichtenmoderatorin Gundula Gause, die bei der Preisverleihung im Stadtschloss von Weimar die Laudatio halten wird. Mutig prangere die Ordensfrau die schweren Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Goldabbau internationaler Konzerne auf der Insel Mindanao an.
Preisträgerin ist Projektpartnerin des Hilfswerks Missio
Nominiert für den Preis wurde Schwester Stella von der katholischen Hilfsorganisation Missio, die die Ordensfrau mit einem zweijährigen Hilfsprogramm unterstützt. Die Ehrung sei wichtig, weil sie sichtbar mache, „wie sehr Ausbeutung und Ungerechtigkeit verbunden sind mit der Nachfrage nach Gold in der westlichen Welt“, betont Missio-Präsident Klaus Krämer.
Schwester Stella geht es vor allem darum, auf die Lage der Menschen vor Ort aufmerksam zu machen. Menschenrechtsverletzungen gegen die indigene Bevölkerung Mindanaos durch Soldaten und paramilitärische Einheiten hätten in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Die Ordensfrau berichtet von einem Überfall auf einen Umweltaktivisten, bei dem Regierungssoldaten die schwangere Frau und zwei Kinder des Mannes erschossen.
„Wenn Menschen zu Tausenden sterben, ist es höchste Zeit, aus den Kirchen hinauszugehen und etwas zu tun.“
Obwohl sie weiterhin Morddrohungen erhält und in den Minen nur noch inkognito ohne ihre Ordenskleidung unterwegs sein kann, will Stella Matutina die Menschen nicht im Stich lassen. „Wenn Menschen zu Tausenden sterben, ist es höchste Zeit, aus den Kirchen hinauszugehen und etwas zu tun“, sagt sie. Von Angst will sie nichts wissen: „Meine Ordensschwestern sagen, sie seien stolz auf das, was ich tue – aber sie machen sich auch Sorgen um mich.“ Aufhören, das Land verlassen, das will sie nicht – „nicht so lange Menschen hier um ihr Leben fürchten müssen“.
Von Inga Kilian (KNA)
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