Misereor: Waldzerstörung nimmt wieder zu

Misereor: Waldzerstörung nimmt wieder zu

Brasilien ‐ Nach jahrelanger rückläufiger Tendenz hat die Zerstörung des tropischen Regenwaldes in Brasilien im vergangenen Jahr wieder zugenommen. Darauf wies Misereor am Montag zum Internationalen Tag des Waldes hin. Trotz großer Anstrengungen zum Waldschutz habe die Abholzung nach wie vor eine besorgniserregende Dimension.

Erstellt: 21.03.2016
Aktualisiert: 21.03.2016
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Nach jahrelanger rückläufiger Tendenz hat die Zerstörung des tropischen Regenwaldes in Brasilien im vergangenen Jahr wieder zugenommen. Darauf wies das Werk für Entwicklungszusammenarbeit Misereor am Montag zum Internationalen Tag des Waldes hin. Trotz großer Anstrengungen zum Waldschutz habe die Abholzung nach wie vor eine besorgniserregende Dimension, warnte der für Misereor zuständige Freiburger Erzbischof Stephan Burger. So wurde nach Zahlen des brasilianischen Umweltministeriums zuletzt innerhalb eines Jahres eine Waldfläche vernichtet, die einem Gebiet von der doppelten Größe des Saarlandes entspricht. Etwa 20 Prozent des gesamten Regenwaldes im Land ist bereits verschwunden.

„Wir erkennen die Bemühungen der brasilianischen Regierung an, den Regenwald besser zu schützen“, sagte Burger. „Dennoch müssen die Maßnahmen deutlich verstärkt und dürfen nicht durch Zugeständnisse etwa an Agrarkonzerne oder Industrie verwässert werden.“ So werden im brasilianischen Parlament derzeit Änderungen der Verfassung sowie Gesetzentwürfe debattiert, die es Agrarproduzenten ermöglichen sollen, Landkonzessionen für indigene Territorien und die Erlaubnis zum Abbau der dort vorhandenen Bodenschätze zu erhalten. Die Regierung unternehme zudem nicht genügend gegen die auch von Staatsvertretern geduldete Praxis, nach behördlich genehmigter punktueller Entnahme wertvollen Holzes in einem zweiten Schritt große Teile der umliegenden Flächen illegal zu schlagen. Mitarbeiter der Misereor-Partnerorganisation CPT, die solche Vorgänge zur Anzeige gebracht hätten, würden bedroht, mehrfach sei deren Büro verwüstet worden.

Todesdrohungen und Auftragsmorde

Der Erzbischof warnte vor zu großen Freiheiten für Wirtschaftskonzerne, die bisherige Waldflächen für Holzgewinnung, Agrarproduktion, Viehzucht und den Abbau von Bodenschätzen nutzen wollten. Leidtragende dieser Entwicklung seien vielfach Angehörige indigener Völker, denen es meist an Landtiteln für die Besiedelung ihrer Heimatgebiete fehle und die deshalb vertrieben würden. „Die Intensität von Landkonflikten wächst“, sagte der Bischof. „Die zunehmende Gewalt lässt sich an den steigenden Zahlen von Todesdrohungen und Auftragsmorden gegen engagierte Führerinnen und Führer sozialer Bewegungen ablesen.“

Wasserknappheit bedroht Sao Paulo

Erzbischof Burger hat sich vor wenigen Wochen persönlich ein Bild von den Auswirkungen großer Staudammprojekte in Amazonien gemacht. Würden alle geplanten Dämme realisiert, wäre laut offiziellen staatlichen Stellen eine Fläche von 9375 Quadratkilometern überflutet. „Der Errichtung dieser Bauwerke inklusive der umliegenden Infrastruktur fallen ebenfalls große Waldflächen zum Opfer. Das ist mit Blick auf die Folgen der Rodungen für die brasilianische Bevölkerung, aber auch das Weltklima, nicht zu verantworten.“ Schon heute führe die Entwaldung zu teils drastischen Konsequenzen für den Wasserhaushalt des Landes. Das vielschichtige hohe Blattwerk im Amazonas-Regenwald biete enorme Flächen zur Wasser-Verdunstung und Entstehung von Regen. Gebe es weniger Niederschlag, stiegen Wüstenbildung und Wasserknappheit. Letztere sei insbesondere für große Metropolen wie Sao Paulo bedrohlich. Sinkende Luftfeuchtigkeit infolge der Abholzungen senke auch die Widerstandskraft des Regenwaldes gegen Brandrodungen und führe zu mehr Flächenbränden.

Widerstand gegen den Staudamm am Tapajós

Die brasilianische Regierung möchte in Nordbrasilien am Fluss Tapajós fünf Großstaudämme bauen, um Energie zu erzeugen und den Fluss für die Binnenschifffahrt besser zu erschließen. Durch den Großstaudamm Sao Luiz do Tapajós sind 80.000 Menschen in der Region betroffen. Sie möchten den Staudamm verhindern und fordern ihr Recht auf Mitbestimmung ein. Um dieses Anliegen zu unterstützen, will Misereor in Deutschland Unterschriften sammeln. Damit soll die brasilianische Regierung aufgefordert werden, den Staudammbau zu stoppen und die indigene Bevölkerung gemäß der ILO-Konvention 169 zu beteiligen.

Der Misereor-Partner CPT fordert anstelle des Staudammbaus die lokale Entwicklung der Bevölkerung in ihren Gemeinschaften, die die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen im Blick hat und sich an deren Bedürfnissen orientiert. Dazu zählen zum Beispiel Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, die Bildung und das Gesundheitswesen. Die CPT hat Misereor in Deutschland um Unterstützung gebeten, und deshalb wurde diese Unterschriftenaktion entwickelt. Die dort lebenden Menschen sollen die Chance haben, sich und ihre Region nach eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Die Unterschriftenaktion findet parallel in Brasilien statt. Misereor ruft mit einer Petition zum Widerstand gegen den Staudamm am Tapajós auf.

© Misereor