
Bedarf an humanitärer Hilfe größer denn je
Humanitäre Hilfe ‐ Der Bedarf an humanitärer Hilfe hat sich in den vergangenen Jahren vervierfacht. Darauf weisen Entwicklungsexperten zum ersten Humanitären Weltgipfel hin, der heute in Istanbul angelaufen ist. Die Bundesregierung kündigte eine großzügige Aufstockung der Mittel an.
Aktualisiert: 23.05.2016
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Zum ersten Humanitären Weltgipfel in Istanbul haben Politiker und Hilfswerke erneut auf eine Aufstockung der Mittel und bessere Verzahnung der Hilfsleistungen gepocht. Ziel des Gipfels sei, „das Gesamtbudget auf eine Milliarde US-Dollar zu erhöhen. Hier ist die internationale Gemeinschaft als Ganzes aufgefordert, Solidarität zu zeigen“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der „Rheinischen Post“ (Montag). Der Bedarf an humanitärer Hilfe sei größer denn je. Deutschland werde daher seinen Beitrag um zehn Millionen Euro auf dann 50 Millionen Euro aufstocken.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach in Berlin von einem starken Signal, das in Istanbul von Deutschland ausgehen werde. „Wir halten unsere Versprechen“, sagte er mit Blick auf die Syrienkrise. 70 Prozent der zugesagten Hilfsmittel seien bereits beauftragt. Andere Geberländer sollten nun nachziehen. „Die Menschen in den Krisengebieten müssen sich auf die versprochene Hilfe verlassen können“, mahnte der Minister.
Zum zweitägigen Humanitären Weltgipfel werden rund 5.000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und von Nichtregierungsorganisationen erwartet. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am Montag an den Bosporus gereist, ebenso wie eine hochrangige Delegation aus dem Vatikan. Ziel des Treffens ist, die Krisen- und Katastrophenhilfe effizienter zu organisieren und sie besser auf die Bedürfnisse der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten abzustimmen. Dem Treffen voraus ging ein mehrjähriger Abstimmungs- und Diskussionsprozess. Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf bekräftigte, dass viele Krisen vermeidbar seien, wenn die Menschenrechte weltweit geachtet würden.
Auch der Vatikan beteiligt sich am Weltgipfel
Papst Franziskus ermunterte am Sonntag die teilnehmenden Staatenlenker, sich „vorbehaltlos für das humanitäre Hauptziel einzusetzen, nämlich jedes Menschenleben zu schützen“. Der emeritierte Erzbischof Silvano Tomasi erinnerte an die gemeinsame Verantwortung aller Staaten. Ein tauglicher erster Schritt wäre es bereits, „anzuerkennen, dass wir eine einzige menschliche Familie sind, weswegen es eine kollektive Verantwortung gibt, die sich häufenden Probleme anzugehen: Gewaltherde, Wirtschaftskrisen, die uns zu dem führen, was Papst Franziskus mit seiner brillanten Intuition als ‚Dritter Weltkrieg in kleinen Stücken‘ bezeichnete“, sagte Tomasi gegenüber Radio Vatikan. Neben Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Erzbischof Bernardito Auza nimmt er als Vertreter des Heiligen Stuhls am Humanitären Weltgipfel teil.
Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Tom Koenigs, sprach sich für mehr Zusammenarbeit der Geberländer aus. „Insgesamt müssen vorbeugende Maßnahmen, kurzfristige humanitäre Hilfe und langfristige Entwicklungszusammenarbeit besser verzahnt werden“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“. Finanzielle humanitäre Hilfe sollte zudem zuverlässig geleistet werden, so Koenigs. „Hier ist die Lücke zwischen Absprache und später tatsächlich bezahlter Hilfe häufig viel zu groß.“
Das Kinderhilfswerk terre des hommes rief zu einer vermehrt dezentralisierten Hilfe auf. „Humanitäre Hilfe ist stets mehr als das klassische Hilfspaket. Genau wie in unserer langfristigen Programmarbeit müssen wir humanitäre Hilfe immer mehr als politische Intervention zur Sicherung der Rechte und der Würde von Menschen verstehen“, sagte der Vorstandssprecher des Hilfswerkes, Albert Recknagel.
Auch der entwicklungspolitische Dachverband Venro forderte eine verstärkte Dezentralisierung und Lokalisierung humanitärer Hilfe. „Bei der Planung und Umsetzung von Hilfsmaßnahmen muss die unmittelbare und frühzeitige Mitsprache der direkt Betroffenen – insbesondere auch von Frauen und Jugendlichen – konsequent sichergestellt werden“, sagte Inez Kipfer-Didavi, Vorstandsmitglied von Venro.
Zudem bemängelte der Verband, dass die Staatenlenker keine verbindliche Abschlusserklärung, sondern lediglich Selbstverpflichtungen abgeben wollen. Um diese zu kontrollieren, müsse ein internationales „Monitoringsystem mit Berichtspflichten“ eingeführt werden, forderte Kipfer-Didavi. In diesen Prozess müssten internationale und lokale Nichtregierungsorganisationen eng eingebunden werden. (lek/KNA/Venro/RV)
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