Ein mexikanischer Bischof auf der Suche nach Frieden
Katholikentag ‐ Mexiko und Münster haben in diesen Tagen etwas gemeinsam: die Menschen suchen Frieden. Bischof Juan Pedro Juárez Meléndez aus Tula ist zur Feier einer Bistumspartnerschaft nach Münster gekommen und für den Katholikentag geblieben.
Aktualisiert: 11.05.2018
Lesedauer:
Mexiko und Münster haben in diesen Tagen etwas gemeinsam: die Menschen suchen Frieden. Dass es dabei in Lateinamerika ungleich existenzieller zugeht, weiß Bischof Juan Pedro Juárez Meléndez aus Tula. Er ist zu Feier einer Bistumspartnerschaft nach Münster gekommen und für den Katholikentag geblieben.
Auch ein Bischof braucht mal eine Pause. Bischof Juan Pedro Meléndez verbringt diese im Priesterseminar des Bistums Münster direkt am Domplatz. Er hat gerade am Eröffnungsgottesdienst des 101. Deutschen Katholikentags mit tausenden Menschen teilgenommen. Während der Regen an die Fensterscheibe prasselt, zündet der Mexikaner eine Kerze auf dem Tisch im kleinen Raum an. „Immer mit dem Licht des Glaubens“, sagt er lächelnd und setzt sich. Der 66-Jährige wirkt ein wenig müde, immerhin hat der Bischof des Bistums Tula in Mexiko bereits am Sonntag vor Beginn des Katholikentags angefangen, zu feiern – und zwar das 50-jährige Jubiläum seiner Bistumspartnerschaft mit Münster. Mit Mariachi-Band, Gottesdienst und indigenen Riten wurde die enge Beziehung der jeweils zehn Partnergemeinden der beiden Länder zelebriert. Bereits im März waren Vertreter aus Münster nach Mexiko gereist, um die Feierlichkeiten zu eröffnen.
Nun erlebt Meléndez also seinen ersten Deutschen Katholikentag. „Man kann die Freude der Menschen hier spüren“, sagt er. „Das ist eine echte Glaubenserfahrung. Diese Menschen sind alle hierher gekommen, um einen Beitrag zur Verbesserung der Gesellschaft in diesen schwierigen Zeiten zu leisten.“ Schwierige Zeiten – die sehen in Münster wohl anders aus als in Mexiko.
Dort ist vor allem die grassierende Gewalt ein Problem. In letzter Zeit wurden vermehrt auch Priester von kriminellen Banden angegriffen und getötet. „Manchmal sind sie einfach zur falschen Zeit am falschen Ort“, erklärt Meléndez. So gerieten manche Geistliche etwa bei Raubüberfällen auf Kirchen in die Schusslinie. „Viele Fälle bleiben ungeklärt, weil die Polizei von Mafiaorganisationen unterwandert ist.“ Dafür will das Bistum den Opfern von Gewalt und ihren Angehörigen helfen. „Als ich im Januar für die Hinterbliebenen der Toten in der Kathedrale von Tula einen Gottesdienst feierte, rechnete ich mit vielleicht zehn Familien. Ich war schockiert, als dann über 40 kamen“, erzählt Meléndez. Er leitet die Diözese seit elf Jahren, wobei die Gewalt in seiner Heimat besonders in den vergangenen fünf Jahren eskaliert sei. Das liege unter anderem an der wachsenden Armut. Tula gilt als das Ruhrgebiet Mexikos. In der Bergbauregion gab es einst eine starke Minenindustrie, heute finden die Menschen dort nur noch schwer Arbeit. Viele Menschen aus der Diözese machen sich auf den Weg in die USA, pro Jahr etwa 5.000. „Die Familien werden dadurch getrennt und die wenigsten trauen sich, nach Mexiko zurückzukommen, aus Angst, sie könnten wegen der schweren Einwanderungsbedingungen nicht mehr zurück in die Vereinigten Staaten.“
Doch für jene, die in Mexiko bleiben, gibt es auch immer wieder Lichtblicke. Etwa die Entdeckung von Mineralquellen im Zentrum des Bistums, wo viele indigene Gemeinschaften leben. Sie können die Quellen nun zu touristischen Zwecken nutzen und sichern sich so ihre Existenz. Das ist auch das Anliegen der Kirche, wie Meléndez, selbst Sohn aus einer Indigenen-Familie, erklärt: „Papst Johannes XXIII. hat das Bistum 1961 auch mit dem Ziel gegründet, dass die Kirche für die Indigenen der Region da ist.“
Die Freundschaft zwischen den Bistümern Tula und Münster begann wenig später während des Zweiten Vatikanischen Konzils, bei dem sich die damaligen Bischöfe von Tula und Münster, Jesús Sahagún de la Parra und Josef Höffner, kennenlernten. Sie wollten gemeinsam den Wunsch des Konzils verwirklichen, ihre Bistümer zu öffnen und einander zu begegnen. Im Februar 1968 kamen die ersten Canisianerbrüder in Mexiko an, und der Bau des Centro Social in Cardonal, einer Werkstatt für Menschen ohne Arbeit, begann. In den folgenden Jahrzehnten wirkten Priester im jeweils anderen Bistum, es wurden Partnerschaften zwischen den Gemeinden der Länder gegründet und später junge Menschen als Freiwillige entsandt.
Erst vor wenigen Wochen war der mittlerweile 95-jährige Sahagún de la Parra wieder in Tula – und sei erstaunt gewesen. „Zwischen der Stadt heute und vor 50 Jahren ist kein Vergleich“, berichtet Meléndez die Reaktion seines Vorgängers. „Die Situation der Armen in unserem Bistum hat sich in den vergangenen 50 Jahren deutlich verbessert, auch dank unserer Partner in Münster, die uns in der pastoralen und sozialen Arbeit in den vergangenen Jahren unterstützt haben“, betont der Amtsinhaber.
Es hat zwischenzeitlich aufgehört zu regnen. Bischof Meléndez macht sich auf den Weg zu einem Treffen verschiedener Partnergemeinden des Bistums Münster, an dem auch Gäste aus Ghana teilnehmen. Ebenfalls dabei ist Weihbischof Stefan Zekorn, der bischöfliche Beauftragte für die Weltkirche. Er war im März in Tula dabei und schwärmt noch immer: „Es war so lebendig. Diese Partnerschaft ist eine große Bereicherung für unser Bistum.“ Im Innenhof des Bischöflichen Generalvikariats gibt es Gelegenheit für einen Imbiss und gegenseitigen Austausch.
Maria Leonor Morales Trejo ist mit ihrem Bischof nach Münster gekommen. Sie unterhält sich mit Pfarrer Clemens-August Holtermann, der sechs Jahre lang in Mexiko gelebt hat und sich in sozialen Projekten engagierte. „Wir kennen uns bereits seit 40 Jahren“, lacht Leonor, und der Pfarrer fügt hinzu: „Ohne sie wäre das kirchliche Engagement in Tula nicht halb so erfolgreich. Es sind nämlich vor allem die Frauen, die das Kirchenleben in Mexiko tragen.“ Leonor ist ihr katholischer Glaube sehr wichtig. Die Lehrerin will auch ihre Verwandten, die in den USA leben, immer wieder an ihre Religiosität erinnern. „Ich gehe sie regelmäßig besuchen und helfe ihnen, ihren religiösen Alltag wiederzubeleben“, sagt sie. „Denn dort vergessen sie oft, in die Kirche zu gehen.“
In Mexiko sind zwar noch immer 80 Prozent der Bürger katholisch, doch auch dort wächst die Zahl der Menschen ohne Religionszugehörigkeit. „Besonders die Jugend entfernt sich zunehmend von der Kirche“, beklagt Meléndez. „Hinzu kommen die vielen Pfingstkirchen, Evangelikale, Mormonen.“ Umso erfreuter ist der Bischof, auf dem Katholikentag in Münster viele junge Leute zu sehen. „Ich habe gehört, dass das bei den Katholikentagen in anderen Städten wie Berlin oder Leipzig anders war.“
Beim Deutschen Katholikentag wird der mexikanische Bischof auch selbst noch eine aktive Rolle spielen. Meléndez wird in den kommenden Tagen auf mehreren Podien sprechen – vor allem über die Gewalt in seinem Land. Diese gehört dort zu den wichtigsten politischen Themen, etwa bei den im Sommer anstehenden Präsidentschaftswahlen. Von den Kandidaten seien zwar alle katholisch, „aber sie leben nicht danach“, sagt der Bischof. Noch immer herrschen zu viel Korruption und Gewalt und die Menschen misstrauen den Behörden, die allzu oft mit dem organisierten Verbrechen gemeinsame Sache machen. Für die Kirche des Landes ist der Auftrag klar: Sie will die Menschlichkeit der Mexikaner zurückgewinnen. „Es geht darum, die moralischen Werte der Gesellschaft zu retten und den Zusammenhalt zu stärken“, erklärt er. „Wir Bischöfe in Mexiko haben eine gemeinsame Agenda vereinbart, die wir landesweit unter die Menschen bringen wollen. In jeder Diözese geben unsere Priester Kurse für die Bevölkerung, in denen sie vor allem zwei Dinge vermitteln: Vergebung und Versöhnung.“ So gilt auch in Mexiko das Münsteraner Motto dieser Tage: „Suche Frieden.“
Von Claudia Zeisel
© weltkirche.katholisch.de