Klimawandel in Vietnams Mekongdelta
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Klimawandel in Vietnams Mekongdelta

Klimawandel ‐ Am 3. Dezember beginnt im polnischen Katowice die nächste UN-Klimakonferenz. Für die Menschen im Mekongdelta in Vietnam steht schon jetzt der Erhalt ihres Lebensraums auf dem Spiel.

Erstellt: 21.11.2018
Aktualisiert: 10.02.2023
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Am 3. Dezember beginnt im polnischen Katowice die nächste UN-Klimakonferenz. Für die Menschen im Mekongdelta in Vietnam steht schon jetzt der Erhalt ihres Lebensraums auf dem Spiel.

Wellblechhütten auf drei Meter hohen Stelzen säumen das Flussufer in Dat Mui, dem südlichsten Zipfel von Vietnam. Nur wenige Kinder spielen vor den kleinen Läden und Cafes im Schatten der Palmen. Die graue, asphaltierte Straße ist fast menschenleer. Die Stimmung wirkt gedrückt. Die Muschelreste an den Stelzen erzählen von Zeiten, als das braune Wasser des Mekongarms in die Wohnzimmer schwappte – wieder einmal.

In Dat Mui gehören die Folgen des Klimawandels längst zum Alltag – wie in weiten Teilen des 40.600 Quadratkilometer großen Mekongdeltas. Gleichzeitig ist das Gebiet eine der fruchtbarsten Regionen Vietnams. Forscher prognostizieren, dass sich die Temperatur in dem südostasiatischen Land bis 2100 durchschnittlich um 2 bis 3 Grad Celsius erhöht. Der Meeresspiegel würde dann um bis zu 70 Zentimeter ansteigen und die Taifune, die jedes Jahr durchs Land wirbeln, könnten noch stärker werden.

Das laute Knattern des wackeligen Motorboots von Toan bricht die Stille in Dat Mui. Der 58-Jährige wohnt mit seiner Frau in einem 15 Minuten entfernten Dorf. Es ist am besten übers Wasser zu erreichen. Flussarme ersetzen die Straßen. Es gibt sogar Märkte auf dem Wasser. Außerhalb der Orte ist das Ufer oft von Mangrovenbäumen gesäumt. Wie Tintenfischarme sind sie ineinander verhakt. An den Stellen, wo sie nicht mehr wachsen, weil Überschwemmungen und Stürme zunehmen, ist die rotbraune Erde oft in den Fluss gerutscht. Erosion nennen das die Fachleute. Hier und da hat es auch schon ein Haus erwischt, das absank, weil der Untergrund nachgab.

Le Minh Nhat vom vietnamesischen Landwirtschaftsministerium kennt das Problem. In seinem Büro in Hanoi hängt eine große Karte des Mekongdeltas. Sie zeigt die besonders gefährdeten Gebiete. „38 Prozent des Mekongdeltas werden im Jahr 2100 überschwemmt sein“, schätzt Minh Nhat. Umsiedlungen ließen sich dann nicht mehr vermeiden. Der Beamte arbeitet an entsprechenden Plänen mit.

Toan weiß davon nichts. Aber er sieht, dass manche Nachbarn ihr Haus bereits ein paar Meter weiter entfernt vom Flussufer gebaut haben. Quoc Nam Nguyen, Vertreter der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in der Hauptstadt Hanoi, spricht von lokalen Wanderungsbewegungen. Die Familien blieben meist in der gleichen Gemeinde, behielten ihre Arbeit und ihr soziales Umfeld bei.

Die IOM führte von 2014 bis 2016 eine Umfrage zu den Ursachen durch. Das Ergebnis: der Klimawandel ist nicht der einzige Grund, vielmehr seien Lebensumfeld und die Arbeit ausschlaggebend. Indirekt würden diese Faktoren aber auch vom Klimawandel beeinflusst, weil die meisten Menschen im Delta in der vom Klima abhängigen Landwirtschaft oder Fischerei arbeiteten, so Nam Nguyen.

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Ein schleichender Prozess. Auch Toans drei Kinder sind nach Ho-Chi-Minh-Stadt gezogen. „Nur noch selten kommen sie zu Besuch“, sagt der 58-Jährige etwas traurig. Fast alle jungen Erwachsenen seien in die Stadt gezogen, weil es dort bessere Arbeitsplätze gebe.

Zusammen mit seiner Frau wohnt er in einer kleinen Hütte. Die Küche ist gleichzeitig Ess-, Wohn- und Schlafzimmer. In der Ecke hängt eine Hängematte. Die gehört zur Standardausstattung im Mekongdelta. An der Wand hängt ein Hochzeitsfoto von ihm und seiner Frau.

Toans Hauseingang ist ein Steg am Flussufer. Nur wenige Schritte trennen die Behausung vom Wasser. Vor dem Ufer stecken Stöcke im Boden. Darum schlingen sich Wasserpflanzen. „Das sind Wellenbrecher“, sagt Toan. Er und seine Frau haben sie selbst gebaut, um ihr Land und ihr Haus vor der Erosion zu schützen.

Im Garten hat Toan einen mehrere Quadratmeter großen See. Dort baut er Shrimps an und pflegt die Mangroven. „Die Mangrovenbäume sind überlebenswichtig für uns“, sagt er. Denn sie halten die Erde zusammen. Bei der Pflege der Mangroven hat er durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Unterstützung erhalten.

Plötzlich setzt Starkregen ein. Binnen Minuten steigt das Wasser im Flussarm an, bis es fast den Holzboden von Toans Hütte erreicht. „Es sind nur noch 30 Zentimeter, dann überflutet das Wasser unsere Wohnung“, sagt er. In spätestens zwei Jahren wird er höhere Stelzen brauchen.