Misereor zu Präsidentschaftswahlen in El Salvador
El Salvador ‐ Am Sonntag finden in El Salvador Präsidentschaftswahlen statt. In Deutschland ist der kleinste Staat Mittelamerikas vor allem wegen seiner kriminellen Jugendbanden, den Maras, bekannt.
Aktualisiert: 30.01.2019
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Am Sonntag finden in El Salvador Präsidentschaftswahlen statt. In Deutschland ist der kleinste Staat Mittelamerikas vor allem wegen seiner kriminellen Jugendbanden, den Maras, bekannt. Im Interview gibt Misereor-Länderreferent Dominik Pieper einen Überblick über die aktuelle politische Lage.
Frage: Herr Pieper, in deutschen Medien taucht El Salvador wenn überhaupt, dann in Zusammenhang mit Gewalt und Kriminalität auf. Was verbinden Sie mit dem Land?
Pieper: Die Menschen in El Salvador sind sehr offen und herzlich. Das geht in den Schlagzeilen um Migration und Jugendgangs sowie eine zweifellos hohe Mordrate leider unter. Dazu kommt: El Salvador ist ein wunderschönes Land, das zwischen Vulkanen und einer langgezogenen Pazifikküste liegt, mit entsprechenden Stränden. Dahinter steckt echtes touristisches Potenzial – auch wenn das in Mitteleuropa niemand so recht auf dem Schirm hat.
Frage: Am Sonntag finden die Präsidentschaftswahlen statt – was lässt sich über die aktuelle politische Lage sagen?
Pieper: Eigentlich ist die Lage relativ normal – gemessen an dem, was man in einem solchen Land als normal bezeichnen kann.
Frage: Das heißt?
Pieper: Es gibt keine sonderliche Zunahme von Gewalt. Im Vergleich zu seinen Nachbarn Honduras und Guatemala ist El Salvador ein relativ gefestigter demokratischer Staat.
Frage: Trotzdem, so scheint es zumindest, ist das Erbe des Bürgerkriegs, der zwischen 1980 und 1991 schätzungsweise 70.000 Menschenleben forderte, immer noch sehr präsent.
Pieper: Für den künftigen Präsidenten gilt: Die neuen Herausforderungen sind die alten. Allen voran die Probleme der inneren Sicherheit, ausgehend von den Jugendbanden, die sich wiederum aufgrund der vielen Konflikte in dem Land gebildet haben. Weiter bleibt die Arbeitslosenquote hoch. Dazu machen sich die Folgen des Klimawandels bemerkbar. Immer weniger Menschen haben noch eine echte Chance, in der Agrarwirtschaft ihr Auskommen zu finden. Das alles führt zu der Massenauswanderung aus den zentralamerikanischen Staaten, wie wir sie im vergangenen Jahr mit dem Flüchtlingstreck Richtung USA erlebt haben.
Frage: In den Umfragen wird Nayib Bukele als Favorit für die Nachfolge des amtierenden Präsidenten Salvador Sanchez Ceren gehandelt. Was ist das für ein Mann?
Pieper: Er ist mit seinen 37 Jahren relativ jung und kommt ursprünglich aus der linksgerichteten Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti, der FMLN. Jetzt tritt er für die relativ kleine, eher konservativ ausgerichtete Große Allianz für die Nationale Einheit GANA an. Erstmals seit Ende des Bürgerkrieges könnte also ein Kandidat durchkommen, der keiner der beiden großen politischen Blöcke angehört – neben der aus der Guerilla-Bewegung hervorgegangenen FMLN ist das die früher dem Militärregime nahestehende Alianza Republicana Nacionalista ARENA.
Frage: Welche Ziele verfolgt Bukele?
Pieper: Ein großes Thema im Wahlkampf ist der Kampf gegen Korruption. Darüber hinaus treibt eine mögliche Privatisierung der Wasserversorgung viele Wählerinnen und Wähler um – und damit auch alle Kandidaten. Bukele möchte darüber hinaus mit dem alten Establishment brechen.
Frage: Übernimmt er sich damit nicht ein wenig?
Pieper: Bukele ist kein unbeschriebenes Blatt. Er war unter anderem, damals noch für die FMLN, Bürgermeister von San Salvador.
Frage: In der Kathedrale von San Salvador befindet sich das Grab von Oscar Romero. Die Ermordung des damaligen Erzbischofs am 24. März 1980 markierte den Beginn des Bürgerkrieges. Welche Rolle spielt die katholische Kirche heute in El Salvador?
Pieper: Oscar Romero ist zu einem Symbol der Hoffnung geworden inmitten einer Situation der Hoffnungslosigkeit. Die katholische Kirche trägt sein Erbe fort und ist nach wie vor sehr einflussreich – ungeachtet der Tatsache, dass protestantische Kirchen, wie in anderen Ländern Lateinamerikas auch, stark an Zulauf gewinnen.
Frage: Erheben die Bischöfe wie früher Romero in politischen Debatten ihre Stimme?
Pieper: Mit politischen Äußerungen halten sie sich sehr zurück. Was sie aber immer wieder anmahnen, ist, dass die junge Generation gehört werden muss – auch, um das Problem mit den Jugendbanden zu lösen.
Frage: Misereor stellt El Salvador in den Mittelpunkt der diesjährigen Fastenaktion. Mit welchem Motiv?
Pieper: El Salvador ist ein eher vergessenes Land. Allenfalls die Jugendbanden mit ihren Tätowierungen sind Bilder und Schlagzeilen wert. Aber darüber geraten die vielen positiven Ansätze in Vergessenheit, die gerade von jungen Menschen in dem Land ausgehen. Das würden wir gern ändern.
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