
Machtkampf in Venezuela spitzt sich zu
Venezuela ‐ Der Machtkampf in Venezuela spitzt sich zu. Am Samstag läuft ein von dem selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó gestelltes Ultimatum ab, im Nachbarland Kolumbien bereitstehende Hilfslieferungen aus den USA nach Venezuela einzulassen.
Aktualisiert: 22.02.2019
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Der Machtkampf in Venezuela spitzt sich zu. Am Samstag läuft ein von dem selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó gestelltes Ultimatum ab, im Nachbarland Kolumbien bereitstehende Hilfslieferungen aus den USA nach Venezuela einzulassen. Die derzeitige Regierung um Präsident Nicolas Maduro leugnet den Notstand und lehnt humanitäre Hilfe ab.
In den hauptsächlich aus den USA gelieferten Hilfsgütern sieht Maduro nur einen Vorwand, unter dem eine US-geführte Militärintervention in Venezuela vorbereitet werden soll. Aus diesem Grund lässt die venezolanische Armee derzeit mehrere Lkw mit Hilfsgütern nicht ins Land, die im Nachbarland Kolumbien an der Grenze bereitstehen.
Die Kirche in Venezuela forderte das Militär des Landes auf, die humanitäre Hilfe ins Land zu lassen. „Die Streitkräfte müssen Einlass und Verteilung garantieren“, heißt es in einer Erklärung der Venezolanischen Bischofskonferenz von Donnerstag, aus der die oppositionsnahe Zeitung „El Nacional“ zitiert. Um humanitäre Hilfe zu bitten oder sie anzunehmen, sei kein Verrat am Vaterland, sondern eine moralische Pflicht angesichts der dramatischen Engpässe, unter denen das Volk leide.
Hilfslieferungen als politischer Spielball
Der Rückhalt der Armee gilt als entscheidender Machtfaktor für den linksnationalistischen Präsidenten. US-Präsident Donald Trump hatte die venezolanische Armee am Montag zur Abkehr von Maduro aufgerufen. Wer sich jetzt nicht auf die Seite von Juan Guaidó stelle, für den gebe es „keinen Ausweg“ mehr, sagte Trump.
Nicolas Maduro lässt sich von den Drohungen nicht beirren. Bereits am Mittwoch hatte Maduro die Verbindungen via Schiff und Flugzeug zu den niederländischen ABC-Inseln gesperrt. Während die USA, Kolumbien und Brasilien den Druck auf Maduro erhöhen, stehen China und Russland weiter zu dem sozialistischen Präsidenten. Am Mittwoch hatte Maduro Hilfslieferungen aus dem befreundeten Russland angekündigt.
Am Donnerstag kündigte er darüber hinaus die Schließung der Grenze zu Brasilien an. Ab 20 Uhr brasilianischer Zeit solle der Übergang Pacaraima geschlossen werden. Brasiliens rechtspopulistische Regierung hatte am Dienstag angekündigt, Hilfsgüter an die Grenze bringen zu wollen. Die Hilfslieferungen für die leidende Bevölkerung sind also zum politischen Spielball im Kampf um die Macht in Venezuela geworden.
Nicht einmal für die Beerdigung der Leichen reicht das Geld
Adveniat-Venezuela-Referent Reiner Wilhelm hofft, dass es am Stichtag einen Durchbruch und eine Chance auf einen konstruktiven Neuanfang in Venezuela geben wird. „Ich hoffe sehr, dass am Samstag keine Kugel einen Gewehrlauf verlässt, damit es zu keinen gewaltsamen Ausschreitungen kommt. Zum anderen würde das zeigen, dass Maduro beim Militär keinen Rückhalt und damit keine Zukunft mehr hat.“
Bei seinem letzten Besuch in Venezuela war Wilhelm bestürzt über die menschenverachtende Lage, in der sich die Venzolaner befinden. „Ich habe einen Mann gesehen, der im Müll nach Essen gesucht hat. Müll, in dem die Essensreste mit Maden überhäuft waren und die er trotzdem gegessen hat – aus Hunger.“ Auch die Lage in den Krankenhäusern sei kaum vorstellbar. „Die Patienten dort sind Todgeweihte. Die Ärzte haben häufig nichts an Medikamenten, die sanitären Anlagen sind defekt und es gibt kein fließendes Wasser“, berichtet Wilhelm. „Es ist mittlerweile nicht mal mehr möglich, die Leichen zu beerdigen, weil selbst für die Leichentücher das Geld fehlt.“
Die Bundesregierung habe den ersten Schritt in die richtige Richtung getan, indem sie Guaidó als Übergangspräsident anerkannt hat, sagt der Adveniat-Experte. „Jetzt braucht Venezuela weitere Unterstützung von Außen, damit humanitäre Hilfe zugelassen wird und faire transparente Neuwahlen stattfinden können, bei der alle nationalen Kräfte beteiligt sind“, so Wilhelm. Auch die venezolanische Bischofskonferenz stehe hinter diesen Forderungen, die der Papst wiederum unterstütze.
Neben der humanitären Krise beobachten Organisationen auch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen an der Opposition. Die Regierung lässt demnach ihre Gegner hungern, verhaften und außergerichtlich hinrichten. „Statt die ärmsten Menschen im Land zu schützen, bedroht, inhaftiert und ermordet die Regierung von Maduro diese Menschen“, sagte Erika Guevara-Rosas von Amnesty International am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Caracas. Im Rahmen der regierungsfeindlichen Demonstrationen vom 21. bis 25. Januar wurden in der venezolanischen Hauptstadt laut Amnesty etwa 900 Menschen verhaftet, 41 starben laut Angaben an Schussverletzungen.
Die Zahl der venezolanischen Flüchtlinge und Migranten in den Nachbarländern beläuft sich unterdessen laut der Bundesregierung auf rund 2,35 Millionen. Demnach hielten sich die meisten venezolanischen Flüchtlinge und Migranten in Kolumbien auf (1.032.000), gefolgt von Peru (506.000) und Ecuador (221.000).
© Adveniat/KNA/cze