Bischof kritisiert Präsident im Landkonflikt in Nigeria
Nigeria ‐ Im Landkonflikt des Bundesstaats Benue in Zentralnigeria hat die Zahl von Überfällen in Dörfern in den vergangenen Monaten zwar abgenommen. Mehr Sicherheit könnte nach Einschätzung von Bischof Wilfred Chikpa Anagbe eine schneller eingreifende Polizei bringen.
Aktualisiert: 27.07.2022
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Im Landkonflikt des Bundesstaats Benue in Zentralnigeria hat die Zahl von Überfällen in Dörfern in den vergangenen Monaten zwar abgenommen. Dennoch trauen sich weiterhin Tausende Menschen nicht in ihre Heimatdörfer zurück. Mehr Sicherheit könnte nach Einschätzung von Bischof Wilfred Chikpa Anagbe (54) eine schneller eingreifende Polizei bringen. Eigene Dörfer für umherziehende Viehhirten lehnt er jedoch ab.
Frage: Herr Bischof, vergangenes Jahr gab es auf dem Gebiet Ihrer Diözese Makurdi im Konflikt zwischen Farmern und Viehhirten zahlreiche Überfälle und Morde. Täuscht der Eindruck, dass es zuletzt etwas friedlicher geworden ist?
Anagbe: Es ist etwas friedlicher. Einige Menschen gehen zurück zu ihren Farmen; es gibt keine Informationen über neue Vertreibungen. Das ist gut. Dennoch fragen wir uns, ob das so bleiben wird. Dafür gibt es zwei Gründe: Es scheint, dass die Gegend sich nicht für die Viehhaltung eignet, wenn es regnet. Der Boden ist zu matschig. Darüber hinaus wächst das Gras in anderen Gegenden wieder, in die die Viehhirten zurückziehen. Die Frage ist allerdings, ob das so bleibt. Wenn sich bis Februar oder März 2020 nichts ändert, dann wäre das wundervoll. Das heißt auch, dass Versuche zur Befriedung des Konflikts geglückt sind.
Frage: Was haben die Regionalregierung von Benue und die Zentralregierung unter Staatspräsident Muhammadu Buhari bislang getan, um die Krise zu beenden?
Anagbe: Die Regionalregierung arbeitet ernsthaft mit den Menschen, damit so etwas nicht wieder passiert. Dagegen ist die Zentralregierung sehr arrogant. Meiner Meinung nach stimmt Präsident Buhari Kriegsgesänge an, die sich nicht nur gegen die Menschen von Benue richten. Jetzt heißt es, dass die Regierung Siedlungen für die fulanischen Viehhirten errichten wolle – dabei sind von der Verfassung her die Gouverneure für so etwas verantwortlich. Wenn die Zentralregierung also solche Pläne hat, warum kann sie nicht vorab mit der Regionalregierung darüber sprechen? Wo liegt das Interesse, und wie viele Menschen hier im Bundesstaat züchten überhaupt Vieh? In anderen Bundesstaaten wie Borno und Katsina gibt es sehr viel mehr Land. Warum macht man es nicht dort?
Frage: Dennoch sind auch die Viehhirten und Viehzüchter Nigerianer. Wie alle anderen Menschen können sie sich überall im Land niederlassen.
Anagbe: Natürlich. Dennoch sind in den Bundesstaaten die Gouverneure verantwortlich. Diese Wege sollten eingehalten werden. Wer also Land möchte, muss das mit der Regionalregierung besprechen. Die hat hier übrigens niemanden davon abgehalten, Geschäfte zu betreiben. Man muss aber die Gesetze beachten. Wer Kühe hat, muss sie in Farmen halten wie in anderen Teilen der Welt, etwa den USA, Deutschland, Kenia und Uganda. Dort habe ich keine einzige Kuh im Freien grasen sehen. Gleichzeitig wird frische Milch produziert. Anders als wir müssen die Menschen nicht mehr Milchpulver nutzen.
Frage: Fulani klagen genauso über Morde und Vertreibungen. Wie stark sind Sie persönlich mit Viehhalterverbänden im Gespräch?
Anagbe: Die gibt es gar nicht in Benue State. Es gibt auch keine indigenen Fulani hier. Sie sind üblicherweise gekommen und wieder gegangen. Als ich in den 60er und 70er Jahren Kind war, verhandelten sie mit den Dörfern und verbrachten dort einen Teil des Jahres. In der Regenzeit gingen sie zurück. Mit den geplanten Dörfern würden nun künstliche Siedlungen geschaffen.
Frage: Im März wurde Gouverneur Samuel Ortom wiedergewählt, der zuvor die Partei gewechselt hatte. Das war einigermaßen überraschend, wurden doch während seiner ersten Amtszeit Hunderte Menschen ermordet.
Anagbe: Es ging nicht so sehr darum, dass die Bilanz seiner ersten Amtszeit so hervorragend wäre. Aktuell ist er aber der einzige, der die Menschen in Benue repräsentiert. Wegen der Morde durch die Fulani haben wir beispielsweise elf Kirchengemeinden verloren. Dort will kein Priester mehr arbeiten. In dieser Lage stand der Gouverneur an unserer Seite.
Frage: Um Situationen wie diese schneller in den Griff zu kriegen, wird aktuell viel über eine zentrale Bundespolizei für ganz Nigeria gesprochen. Befürworten Sie das?
Anagbe: Natürlich. In Ländern wie den USA und Spanien gibt es das längst. Bei einer Krise wäre so ein schnelleres Eingreifen möglich. Bislang wartet man stattdessen auf Anweisungen von oben. So könnten wir uns besser um uns selbst kümmern. Sichergestellt werden muss aber, dass niemand eine solche Bundespolizei für seine eigenen Interessen nutzt.